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Kirche in WDR 2 | 18.02.2025 | 05:55 Uhr
10€ und 74 Cent
Am Ende ist Piotr Pajak dann doch nach Hause gekommen. Aus Berlin zurück in sein polnisches Heimatdorf in Niederschlesien, knapp zwei Autostunden von der deutschen Grenze entfernt. Im September 2023 hat man den 52-jährigen tot unter einer Eisenbahnbrücke gefunden, mitten in Berlin.
Da er keine Ausweispapiere bei sich gehabt hat, ist er zunächst als „Unbekannter männlicher Toter“ geführt worden. Über einen europaweiten Abgleich der Fingerabdrücke hat man ihn dann identifiziert.
Seine Lebensgeschichte ist die eines Mannes, der es nicht geschafft hat. In einem Teufelskreis aus Alkoholismus und schlecht bezahlten Aushilfsjobs gefangen ist er auf der Straße gelandet.
Obdachlose gehören zum Bild deutscher Städte, leider. Sie liegen in Hauseingängen, betteln, durchwühlen Abfalleimer nach Essbarem und Pfandflaschen. Viele haben psychische Probleme, sind suchtkrank, brauchen Alkohol und Drogen, um den Tag zu überstehen.
Jede Woche, so schätzen Sozialarbeiter, stirbt in Berlin ein obdach- oder wohnungsloser Mensch. Verlässliche Statistiken gibt es kaum. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ging 2022 von 38.500 Obdachlosen aus. Andere Stellen schätzen diese Zahl höher. Dazu kommen Wohnungslose, also Menschen, die keinen eigenen Mietvertrag haben und bei Freunden oder in Unterkünften unterkommen müssen. Das Statistische Bundesamt bezifferte ihre Zahl im Januar 2024 auf 440.000.
Wenn sie sterben, sterben sie oft allein. Selten erscheint ein Nachruf, manchmal gibt es eine Trauerfeier, oft finden die Toten ihre letzte Ruhe in Gemeinschaftsgräbern.
Als Piotr Pajak gefunden worden ist, hatte er 10 Euro und 74 Cent, sowie zwei Zettel bei sich.
Einer verwies auf den »Tagestreff am Containerbahnhof«, eine Notunterkunft. Oder besser: eine ehemalige Notunterkunft, denn nach nur acht Monaten Betrieb ist Anfang 2024 wieder Schluss gewesen, wegen fehlender Finanzierung. Auch anderen Hilfsanbietern sind die Fördermittel gestrichen worden, so dem Verein Gangway, dessen Sozialarbeiter Pajak im September 2023 gefunden haben.
„Ich versichere euch: Was ihr an einem von meinen geringsten Brüdern oder an einer von meinen geringsten Schwestern zu tun versäumt habt, das habt ihr an mir versäumt.“ hat Jesus einmal gesagt.
Als Christinnen und Christen in einem der reichsten Länder dieser Erde können wir es nicht hinnehmen, dass bei uns Menschen alleine auf der Straße sterben.
Piotr Pajak ist wieder zuhause. Er ruht unter Fichten im Grab seines Bruders.
„Ruhe in Frieden“ steht auf seinem Grabkreuz.
Quelle: https://www.spiegel.de/panorama/berlin-der-obdachlose-piotr-pajak-starb-als-unbekannter-toter-hier-ist-sein-leben-rekonstruiert-a-43d83f1c-c362-4c24-8efa-15d02e2c3029, zu
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius