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Kirche in WDR 2 | 15.01.2025 | 05:55 Uhr
Situationswut
Statt guter Vorsätze rund um Sport und Gemüse habe ich mir vorgenommen, mehr „Situationswut“ zu haben. „Situations–...was“? Können Sie jetzt zurecht fragen. Ja, auf das Wort bin ich im Laufe des vergangenen Jahres gekommen. Und ich denke, ich hole erstmal etwas aus, was ich mit „Situationswut“ meine. Auf den einen Teil des Wortes hat mich der „Bergdoktor“ ganz persönlich gebracht. Also eigentlich Hans Sigl, der Schauspieler, der den Bergdoktor mimt. In einem Podcast erzählt er von einem Erlebnis bei Dreharbeiten. Für eine Szene war aufwendige Technik geplant, alle standen parat, es sollte also losgehen. Ging es aber nicht. Gar nichts ging. Und da kam ein ganz junger Techniker, knapp 18, ganz neu im Job, und sagte zu Hans Sigl schlicht: „Hans, wir haben eine Situation.“ Eine herrliche Meta-Perspektive finde ich. Statt in Panik zu verfallen, von Problemen zu sprechen, erstmal durchatmen, einen Schritt zurückgehen und gemeinsam gucken, was die Situation eigentlich ausmacht. Und wie sie verändert werden kann. Seit ist das gehört habe, übe ich mich in diese Haltung hinein. Zu mir selbst und anderen zu sagen: Wir haben eine Situation. Und im Hinterkopf zu behalten: Situationen gab es schon viele und die meisten ließen sich meistern.
Das klappt nicht immer. Und das muss es auch nicht. Ruhig bleiben ist eine gute Haltung, wenn man weiterkommen will. Wütend werden aber auch. Denn: Wut belebt. Wut ist ein Impuls zur Veränderung. Wir werden wütend, wenn wir etwas als ungerecht und falsch empfinden. Und deshalb habe ich mir schon vor einiger Zeit vorgenommen, mutiger zu werden in Sachen wütend sein. Und das muss kein Widerspruch sein, dieses „erstmal durchatmen, wenn eine Situation eintritt“ und das „mutig wütend sein, wenn ich auf Ungerechtigkeiten stoße“. Jetzt erzähle ich ihnen von einem zweiten Gespräch, das ich im Advent als Podcast gehört hab – Darin erzählt der Comedian Felix Lobrecht, dass er gelernt hat, öfter mal Situationen anzuschreien. Für ihn ist das ein wichtiger Schritt im Erwachsensein: Zu unterscheiden, wohin er seine Wut richtet. Statt also auf sich selbst oder andere wütend zu sein, die die Situation nicht verschuldet haben, die Situation selbst anbrüllen.
Und so bin ich auf meinen Vorsatz für 2025 gekommen: Mutig situationswütig sein. Ein Dreischritt aus: Einen Schritt zurückgehen und die Situation als solche angucken. Dann prüfen, worum es geht und ob es eine Veränderung braucht. Und schließlich: meine Wut da platzieren, wo sie hingehört.
Das wird selten so generalstabsmäßig funktionieren. Aber „scheitern erlaubt“ ist ein Vorsatz, den ich mir schon vor vielen Jahren gegönnt habe. Ich glaube, in diesem Dreischritt liegt viel Potential für ein gutes Jahr. Weil ich meine Energie mehr auf das lenke, was mir wirklich wichtig ist. Auch dieses Jahr wird voller Situationen sein. Und wenn es dabei wirklich um was geht, will ich versuchen, am Start zu sein.