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Kirche in WDR 2 | 22.03.2025 | 05:55 Uhr
Ja, aber ...
Ich habe ein paar Minuten Zeit und schnappe mir mein Handy. YouTube vertreibt mir die Wartezeit. Katzenvideo. Katzenvideo. Kurzes Handwerker-Tutorial. Katzenvideo. Ich liebe Katzenvideos. Dann eine kleine Szene: Ein Mann und eine Frau stehen vor einem wunderbar erleuchteten Haus. Sehr liebevoll dekoriert. Es strahlt, glitzert und leuchtet. Dazu die Stimme eines Kommentators: In Germany we don’t say: „Ach sieht das aber super aus!“ In Germany we say: „Also die Stromrechnung möchte ich aber nicht haben!“
Ich bin auf dem Kanal von Liam Carpenter gelandet. Ein Brite, der gemeinsam mit seiner deutschen Frau die Eigenheiten der Deutschen auf die Schippe nimmt. Sehr lustig. Und treffend. Ich jedenfalls fühle mich ein bisschen ertappt. „Also die Stromrechnung möchte ich nicht haben.“, habe ich tatsächlich auch schon mal gesagt. Ich kenne diesen Blick, immer streng auf das gerichtet, was es auszusetzen gibt: Das Glas ist immer halbleer. Der wunderbare Urlaub schon nach dem ersten Tag fast vorbei. Die Geburtstagsfeier war toll, aber schon wieder ein Kilo zugenommen. Es findet sich immer irgendetwas, das man bemängeln kann. Das empörend ist oder zumindest nicht optimal. Und selbst dann, wenn es einem eigentlich ganz gut geht, findet sich bestimmt - nach kurzem Nachdenken - irgendwo jemand, dem es noch besser geht. Damit man dann wieder sagen kann: „Siehst du!? Haben wir ein Pech!“
Ist das typisch deutsch? Ich weiß es nicht. Vielleicht.
Auf jeden Fall ist es schade. Denn: Wer zu jedem „ja“ immer auch noch ein „aber!“ hat, sagt eben nie einfach „ja“. Alles Schöne, Angenehme bekommt sofort einen bitteren Beigeschmack. Man verliert das Positive aus den Augen. (Und) verschenkt den unbeschwerten Blick auf die Welt. Man stellt das Glücklichsein unter Vorbehalt und widmet sich stattdessen lieber ausführlich seinen Sorgen.
Jesus sagt einmal: „Warum macht ihr euch immer Sorgen? Seht euch doch mal die Vögel am Himmel an. Sie säen nicht und sie ernten nicht. Aber Gott erhält sie doch.“ Die Vögel am Himmel als Vorbild? Das Leben einfach annehmen? Statt sich auf Pflichten und Lasten und Sorgen zu konzentrieren, fröhlich durch das Leben flattern? Warum eigentlich nicht? Ein bisschen mehr davon könnte vielleicht gar nicht schaden. Bestimmt wäre es gar nicht verkehrt, das Gute, das einem begegnet, einfach mal anzunehmen. Das Schöne einfach mal schön sein zu lassen. Und sich das „aber“ zu verkneifen. Denn, auch wenn es schwer fällt das zuzugeben, manchmal ist das Leben einfach wunderbar. Selbst in Deutschland.
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
