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Kirche in WDR 2 | 24.04.2025 | 05:55 Uhr
Du bist einmalig
Ich mag ja Kinderbücher. Klar – ich mag auch das „Buch der Bücher“, die Bibel also. Aber was mir an Kinderbüchern so gefällt: Die verpacken ganz oft tiefe Wahrheiten in ganz einfach Worte. Ohne Oberlehrerzeigefinger. Und sehr häufig sind das eben Wahrheiten, die ich auch aus der Bibel kenne. Wie beispielsweise bei den wunderbaren Geschichten um Punchinello.[1] Der lebt in einem Dorf – da bekommen diejenigen, die etwas Tolles machen, Sterne angeklebt. Und die, die versagen, bekommen nur Punkte verpasst. Punchinello hat keine Sterne, dafür aber um so mehr Punkte – und ist entsprechend gefrustet. Irgendwann trifft er einem Mann, der ihm sagt: So, wie Du bist, bist Du gut. Du musst Dich nicht beweisen. Du muss niemandem gefallen. Und wenn Du das akzeptierst, dann werden weder Punkte noch Sterne an Dir haften bleiben. Punchinello kann das nicht wirklich glauben. Aber als ihm wenig später wieder mal jemand einen Punkt ankleben möchte, denkt er sich: Eigentlich bin ich doch gut, so wie ich bin … Und der eben angeklebte Punkt fällt von ihm ab. Ich mag diese Geschichte. Weil ich nämlich viel zu oft meine, das tun zu müssen: zu gefallen. Da vermittelt mir Punchinello dann etwas, was ich so eben auch in der Bibel, bei Jesus, finde. Dessen zentrale Botschaft ist: Du bist geliebt – so, wie du bist. Vor aller Leistung – und wichtiger vielleicht noch: trotz der Baustellen und Brüche, die es in deinem Leben gibt.
In der Bibel wird das vor allem deutlich, wenn Jesus mit den Pharisäern zusammenrasselt. Die hält er für ziemlich verlogen. Weil die Wasser predigen – und Wein trinken. Weil die sich öffentlich die Kleider zerreißen und fasten – das aber eigentlich nur machen, damit sie bei den Leuten gut dastehen. Die wollen also Sterne sammeln – wie in der Kindergeschichte. Und genau deshalb wäscht Jesus ihnen immer wieder den Kopf. Sagt ihnen „strackfort“, wie man in meiner Heimat, im Wendschen, sagt, dass sie mal überlegen sollen, was sie da tun – und warum sie es tun. Und dass es auf diese Äußerlichkeiten gar nicht ankommt.
Wissen Sie: Bei meinem Tun in der Kirche, aber auch auf der Arbeit oder im Privaten ist das leider manchmal nicht anders. Da geht es oft auch nur noch um den „Präsentierteller“. Und manchmal verliere ich mich dann sogar in dieser Abhängigkeit vom Urteil anderer, von Sternen und Punkten?
Je älter ich werde, desto wichtiger ist mir deshalb die Lektion von Punchinello und Jesus. Beide sagen mir: Ich bin geliebt, so wie ich bin. Ich bin nicht angewiesen auf den Beifall der Menge. Und schon gar nicht darauf, Anerkennung für etwas zu bekommen, was mir letztlich dann vielleicht doch nicht so wichtig ist. Ich bin gut – so, wie ich bin. Das heißt nicht, dass ich keine Fehler habe. Aber an denen zu arbeiten mache ich nicht für andere. Sondern für mich. Und für den, der mich ins Leben gerufen hat. Der mir gesagt hat, dass er mich erst einmal lieb hat. So, wie ich bin. Wenn ich das weiß, kann ich mich viel leichter meinen Fehlern stellen.
Und in diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen guten Tag. Weil Sie gut sind und geliebt und gewollt. Und weil auch Sie nicht auf die Punkte und Sterne angewiesen sind, die andere meinen, Ihnen anheften zu müssen![1]
Max Lucado: Du bist einmalig. Hänssler 2005.