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Hörmal | 18.04.2025 | 07:45 Uhr
Wohin mit den Kreuzen?
Wohin mit den Kreuzen? Als ich noch Pfarrer war im kleinen Dorf Cappenberg im Münsterland, nördlich von Dortmund, da haben Leute hin und wieder Kreuze an meinem Pfarrhaus abgegeben, manchmal auch Heiligenfiguren. Die lagen dann einfach vor der Haustür. Da war dann vielleicht die Oma verstorben, und jetzt wussten die Angehörigen nicht mehr, wohin mit den Sachen. Das Kreuz auf den Sperrmüll schmeißen? Das fällt sicher vielen schwer, auch heute noch. Für viele Menschen sind Kreuze und Heiligenfiguren doch noch irgendwie spirituell aufgeladen. Immerhin haben andere Menschen ja vielleicht davor gebetet. Oder: bestimmte Heiligenfiguren, ein Bild der Mutter Gottes haben jemanden inspiriert und bewegt. Und daher finde ich: Mit diesen Kreuzen und Heiligenfiguren muss man respektvoll umgehen, auch wenn man sie selbst nicht braucht. Ich habe sie jedenfalls dann erst einmal auf dem Dachboden vom Pfarrhaus gesammelt und – kein Witz: zum Teil habe ich sie im Osterfeuer verbrannt oder auf dem Friedhof bestattet. Immer noch besser als in den Sperrmüll zu werfen oder zum Wertstoffhof zu bringen.
Wohin mit den Kreuzen? Das Problem nimmt zu. Auch bei uns im Kloster, hier in Duisburg, werden immer häufiger Kreuze abgegeben. Das Material fürs Osterfeuer wird also nicht weniger. Aber die Zahl der Gläubigen. Und das beschäftigt mich. Gerade heute, an Karfreitag, wo es ja ums Kreuz geht. Und da bin ich auf etwas sehr Interessantes gestoßen: ein Kunstprojekt des Künstlers Anno Weihs aus Menden im Sauerland. Vor Jahren hat er bereits über mehrere Monate Menschen aufgefordert, ihm Kreuze zu geben, die sie nicht mehr brauchen. Und was hat er damit gemacht? Er hat sie verwandelt und umgestaltet. Kruzifixe aus Messing hat er eingeschmolzen und daraus zum Beispiel ein Weizenkorn gegossen. Er hat die einzelnen Hölzer der Kreuzbalken zu einem neuen Gegenstand zusammengebaut, zum Beispiel zu einem Gabentisch für eine Kirche. Schließlich hat er nicht verwendbare Reste wie Holzsplitter und -späne aus Respekt nicht weggeworfen, sondern verbrannt und die Asche mit Acryllack zu einer Farbe vermischt. Damit hat er dann Bilder gemalt, zum Beispiel ein großes Triptychon, das heute wieder in einer Kirche hängt. Ich finde das eine sehr spannende Idee: Kreuze zu transformieren, quasi zu recyceln. Das, was im alten Kreuz steckte: die Bedeutung, die Gebete in großen und kleinen Nöten, das alles geht nicht weg. Es wird verwandelt in eine neue sinngebende Gestalt. Denn das ist eigentlich die zentrale Botschaft des Christentums: Verwandlung. Schon im neuen Testament deutet sich das an in Bezug auf das Kreuz. Da spricht Jesus im Johannesevangelium von sich und sagt (Joh 12,32): „Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen.“ Damit meint er nicht nur die Art, wie er hingerichtet wird, nämlich aufgehängt ans Kreuz erhöht, sondern zugleich blickt er weiter, dass er zu seinem Vater in den Himmel erhöht wird, also aufersteht. Das Kreuz ist also nicht nur Folterinstrument, sondern ein Wandlungsort vom Tod zum Leben.
Heute am Karfreitag steht das Kreuz im Mittelpunkt der christlichen Gottesdienste. Und es kommt darauf an, was ich in ihm sehe. Mir hat dabei die Arbeit des Künstlers Anno Weihs einmal mehr die Augen geöffnet, was das Kreuz bedeuten kann: ein Objekt der Verwandlung.