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Hörmal | 20.04.2025 | 07:45 Uhr
Staunen
Frohe Ostern! Und: guten Morgen!
Meine Nacht war kurz. Denn gestern war die Osternacht mit dem Gottesdienst von der Auferstehung Jesu. Dieser Gottesdienst zählt für mich als Priester zu den bewegendsten Gottesdiensten, die ich so im Laufe eines Jahres mit meiner Gemeinde feiere. Das hängt vor allem mit den verschiedenen Riten zusammen. Die lassen mich immer wieder staunen. Denn die sind ganz elementar und versuchen etwas zu veranschaulichen, was man letztlich nur glauben kann – und das fällt schwer genug: Nämlich, dass das Leben stärker ist als der Tod. Die Riten im Gottesdienst haben mit Feuer und Wasser zu tun, mit Dunkel und Licht.
So beginnt der Gottesdienst der Osternacht draußen vor der Kirche. Da wird im Dunkeln ein Feuer angezündet und gesegnet. Das Feuer kann ja auch vernichten. Hier aber spendet es Wärme und Licht. Und so wird an dem Feuer die Osterkerze entzündet, mit der anschließend der stockdunkle Kirchenraum betreten wird. Erstaunlich, wie eine einzelne Flamme einen dunklen Raum erhellt und Orientierung schafft. Und das wird dann auch entsprechend gedeutet: So, wie das Licht die Finsternis vertreibt, so ist das Leben stärker als der Tod. Mir ist dieser hoffnungsvolle Gedanke inzwischen sehr wichtig geworden: Ich will mich aktuell nämlich nicht von den vielen dunklen Ereignissen und Nachrichten herunterziehen lassen. Bei allem Leid, Tod und Krieg: Ich hoffe auf Licht gegen diese Finsternis. Und wenn dann die eine Flamme von der Osterkerze geteilt wird, ist das wie ein Lauffeuer bis alle in der Kirche eine brennende Kerze in der Hand haben und sie quasi erleuchtet sind. Gleiches denke ich mir bei einem anderen Ritus im Gottesdienst der Osternacht. Da geht es um die Weihe des Wassers. Das Wasser selbst kann ja auch gegensätzlich wirken – wie das Feuer: Es kann vernichten oder Leben ermöglichen. Um nun die guten Kräfte zu betonen, wird die Osterkerze mit dem Licht in ein Becken mit Wasser getaucht. So soll anschaulich die Macht des Schlechten und Bösen auch hier gebrochen werden. Und mit diesem lebensspendenden Wasser werden dann auch anschließend alle in der Kirche besprengt. Das Leben soll siegen – nicht der Tod. Das hört sich vielleicht wie ein frommer Wunsch an. Und vordergründig sind diese Riten ja alle nur Bilder und Zeichen. Aber sie lassen mich staunen, dass es doch immer noch um mehr geht, als ich hier und jetzt sehe und erfahre. Und da sehe ich mich in guter Gesellschaft mit einer Figur aus dem biblischen Text, der im Gottesdienst der Osternacht verlesen wurde (Vgl. Lk 24,1-12): Es ist Petrus. Der hatte gehört, dass das Grab Jesu leer sei, und wollte nicht glauben, dass Jesus lebt. Aber er ist doch auch neugierig, läuft zum Grab und findet nur die Leinenbinden des Verstorbenen. Und das versetzt Petrus in Staunen. Das ist vielleicht noch kein glauben. Aber Petrus hat vielleicht geahnt: Hier ist etwas Außergewöhnliches passiert. Und: Es kann doch noch anders ausgehen, als ich es bisher angenommen habe. Und so frage ich mich mit Petrus in jeder Osternacht: Vielleicht wartet ja hinter den äußeren Zeichen und Riten doch noch eine andere Wirklichkeit, die mich hoffen lässt auf das Leben über allen Tod hinaus?