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Kirche in WDR 2 | 06.05.2025 | 05:55 Uhr
Kanzler-Wahl und Konklave
Heute wird der Bundeskanzler gewählt. Moment: Haben wir das nicht Ende Februar gemacht? Stimmt – aber nur indirekt. Denn am 23.Februar war Bundestagswahl. Und weil wir eben in einer repräsentativen Demokratie leben, so heißt ja unsere Regierungsform, wählen jetzt erst die von uns gewählten Repräsentanten den Kanzler: Wir Bürgerinnen und Bürger vertrauen unseren Bundestagsabgeordneten, dass sie heute – nach Wochen der Beratung – eine stabile Regierung wählen. Das machen sie übrigens in geheimer Abstimmung. Sie unterstehen nur ihrem Gewissen.
Natürlich ist schon klar, wer es wird. Und es ist auch kein Geheimnis, dass mit Friedrich Merz wieder ein Katholik Kanzler wird. Und einen katholischen Kanzler aus Nordrheinwestfalen: Das gabs bislang nur mit Konrad Adenauer. Ich bin gespannt...
Adenauer übrigens war zutiefst rheinisch-katholisch. In der Nazi-Zeit war er sogar eine Zeit abgetaucht im Kloster, in Maria Laach. Im besten Sinne heißt Rheinisch-Katholisch: Christ-Sein mit klarem Kompass aber mit guter Erdung. Und ein Adenauer-Zitat drückt das herrlich aus. Da sagte er: „Nun bin ich ja für Gottvertrauen, aber nur in beschränktem Umfang, weil Gott dem Menschen freien Willen gegeben hat.“[1] Ich mag das Zitat, denn es zeigt: Als Christ gebe ich eben nicht mein Hirn ab in meiner Verantwortung für die Welt und vor Gott. Vielmehr: Gott traut mir mit dem freien Willen etwas zu. Mein Gewissen zählt. Ich habe immer eine Wahl.
Auch die katholische Kirche hat derzeit die Wahl. Morgen beginnt das Konklave. Die vielleicht geheimste Abstimmung der Welt. Das Prozedere wurde in den vergangenen Wochen ja auch so oft erklärt, dass es Sie womöglich langeweilen würde, wenn ich jetzt noch mal damit kommen würde. Und vielleicht ist es Ihnen eh gerade etwas viel, wie die katholische Kirche die Nachrichtenlage bestimmt, seit Papst Franziskus gestorben ist. Das kann ich auf eine Weise verstehen. Und sicher bin ich als Katholik auch befangen. Aber: Die Kardinäle haben nun mal nicht nur die Chance, den religiösen Führer für die ihre Kirche zu wählen, sondern auch eine wichtige Stimme des Weltgewissens. Dass Papst Franziskus dies war, wurde gerade bei seinem Begräbnis noch mal klar: Eine Stimme für die Schwachen, für Barmherzigkeit und für globale Gerechtigkeit.
Mir scheint: Derzeit ist jede gewichtige Stimme wichtig, die über den Tellerrand schaut aufs große Ganze – jenseits von nationalen oder religiösen Ego-Trips. Jede kraftvolle Stimme zählt, die daran erinnert, dass wir eine Menschheitsfamilie sind. Dass wir Verantwortung tragen: für das Leben, für die Schöpfung, für mehr Mitmenschlichkeit. Dass die Kardinäle bei ihrer morgen anstehenden Wahl geerdet genug sind und ihren Kompass klar haben, darauf hoffe ich. Der neuen Bundesregierung wünsche ich auch genau das: genug Erdung und einen klaren Kompass für alle Entscheidungen, die jetzt anstehen.
[1] https://www.konrad-adenauer.de/zitate/geistige-grundhaltung/