Beiträge auf: wdr3
Kirche in WDR 3 | 24.05.2025 | 07:50 Uhr
Gott meiner Väter
Guten Morgen!
Immer wenn ich in meinem Arbeitszimmer den Staub von den Regalen wische, bleibt mein Blick an den verschiedenen Fotos meiner Großeltern hängen: Sie sind schon lange tot; ein Großvater ist sogar kurz nach dem zweiten Weltkrieg gestorben, so dass ich ihn gar nicht mehr kennenlernen konnte. Und trotzdem weiß ich von ihm aus den Erzählungen seiner Frau, meiner Großmutter. Allen vier Großeltern ist gemein, dass sie gläubige Christinnen und Christen waren. Unter ganz anderen Bedingungen natürlich als heute: Die Kirche in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts stand buchstäblich noch im Dorf. Das war im Sauerland. Dort lebten sie und waren volkskirchlich geprägt. Ihren Glauben haben sie weitergegeben an meine Eltern, die ihrerseits meine Schwester und mich christlich erzogen haben. Und ich habe dasselbe bei meinen drei, inzwischen erwachsenen, Kindern getan. Wenn ich zurückschaue, dann zeigt sich, dass in diesen gut hundert Jahren, kirchlicherseits sich sehr viel getan hat. Ich sage nur: Zweites Vatikanisches Konzil, die Öffnung der Kirche zur Welt hin. In dem Zeitraum hat dann die sogenannte Volkskirche immer mehr an Bedeutung verloren. Heute stelle ich fest: die Volkskirche existiert nicht mehr. Neue Wege müssen gefunden werden, wenn das Christentum auch morgen noch eine Rolle spielen will in unserer Gesellschaft unter den aktuellen Lebensbedingungen, einer freiheitlichen und hochindividualisierten Gesellschaft. Wie also kann Christ-Sein heute gelebt werden? Mir wird beim Betrachten meiner Ahnenreihe auf dem Regal deutlich, dass ich Teil einer langen Generationenfolge bin. Denke ich die weiter zurück, komme ich dahin, dass es in den früheren Generationen immer wieder Menschen gegeben hat, die Gott einen Platz in ihrem Leben gegeben und den Glauben lebendig gehalten und an die nächste Generation weitergegeben haben.Dafür steht jedenfalls die jüdisch-christliche Überzeugung, dass Gott ein Gott bei den Menschen ist. Er handelt an und mit ihnen in der Geschichte. Zu allen Zeiten ist er mit ihnen auf dem Weg. Biblisch formuliert: Er ist der Gott der Väter Israels und begleitete sein Volk aus der ägyptischen Gefangenschaft. Er offenbarte sich Mose im brennenden Dornbusch mit dem Namen: „Ich bin der Ich bin da“. Mose wiederum soll dem Volk Israel sagen: „Der Ich bin da hat mich zu euch gesandt. (…) Jahwe, der Gott euerer Väter, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs hat mich zu euch gesandt. Das ist sein Name für immer und so wird man ihn nennen in allen Generationen.“ (vgl. Ex 3, 14 f.). Und Mose erzählte das seinem Volk. Das heißt aber: Es braucht immer wieder Menschen, die von ihrem Glauben erzählen und ihn so weitertragen – zur nächsten Generation.
Wenn ich das für mich rückwärts lese, heißt das: Ich habe von Gott gehört, da er der Gott meiner Väter und Mütter war. Meine Oma hat mit mir nicht nur das Vater-unser geübt, sie ist auch mit mir als Fünfjährige, in die damals noch offene Kirche unserer Kleinstadt gegangen und hat ganz selbstverständlich gemeinsam mit mir eine Kerze vor dem Marienbild angezündet. Und was mich bis heute beeindruckt: Sie, die früh verwitwet ist, zwei Kriege miterleben musste, fand Kraft und Halt im Glauben und hat mir das vorgelebt. Ich merke, es ist eine lange Reihe von Menschen, in der ich stehe, die vom Glauben erzählt und ihn gelebt haben. Ich bin ein Teil davon und gebe das, was ich vom Glauben verstanden habe, an meine Kinder weiter und die hoffentlich an ihre Kinder. Allerdings ändern sich die Bedingungen bei der Weitergabe von Generation zu Generation. Das zweite vatikanische Konzil hat dafür ein schönes Bild geprägt: das pilgernde Gottesvolk durch die Zeit. Menschen sind dabei unterwegs zu Gott. Und ich frage mich: Was braucht es für diesen Weg heute und in Zukunft? Und wo ist der richtige Weg? Was wird wohl sein, wenn diese Tradition, den Glauben weiterzugeben, einmal abbricht, wenn keiner mehr etwas vom Glauben weiß, wenn die Wegweiser auf dem Weg einfach nicht mehr da sind? Bei allem Grübeln über diesen Fragen hilft mir letztlich das Vertrauen auf die Zusage Jahwes am brennenden Dornbusch: „Ich bin der ich bin da“.
Aus Gladbeck grüßt Sie Meike Wagener