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Kirche in WDR 3 | 10.06.2025 | 07:50 Uhr
Demut
Guten Morgen.
Sind Sie eigentlich demütig?
Eine seltsame Frage, ich weiß.
Demut ist ein altes, angestaubtes Wort. Und kein sonderliches attraktives.
Auf einer Beliebtheitsskala rangiert es ungefähr gleichauf mit Mottenkugeln.
Im Lebenslauf würden das wohl wenige als hervorstechende Eigenschaft benennen:
„Ich bin engagiert, motiviert, weltoffen – und demütig.“ Klingt irgendwie „strange“.
Und hat etwas von unterwürfig.
Noch dazu, weil es oft mit „demütigend“ verbunden wird.
Doch Demut im christlichen Sinne meint etwas anderes.
Es geht darum, dass ich mich selbst ernst, aber nicht zu wichtig nehme. Um Bescheidenheit.
Darum, dass ich mich und mein Leben im Angesicht der Ewigkeit Gottes sehe.
Der verstorbene Papst Franziskus hat es schön formuliert: „Die Demut rückt alles wieder ins rechte Licht: Wir sind wunderbare, aber begrenzte Geschöpfe mit Tugenden und Schwächen.“ (1)
Das ist in der Tat äußerst heilsam.
Weil es davon frei macht, sich selbst aufzublähen.
Sich wichtiger zu nehmen und zu machen, als man ist, vor allem als andere.
Das genau meint Hochmut – und ist eine tiefe Neigung in uns Menschen.
In den sozialen Medien wird dieser das noch befeuert:
Alles dreht sich um mich und meine kleine Welt.
Demut dagegen meint die Freiheit, sich aus der eigenen Bauchnabelschau lösen zu können.
Eben wohltuende, heilsame Erdung.
Das lateinische Wort für Demut „humilitas“ hängt mit humus, „Erde“ zusammen.
Wir sind Erdlinge – wunderschön, endlich, sterblich – und werden wieder zu Erde.
In den Psalmen, dem Gebetbuch
der Bibel, klingt das so:
„Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras.
Er blüht wie eine Blume auf dem Felde.
Wenn der Wind darüber geht, ist sie nimmer da. Und ihre Stätte kennet sie nicht mehr.“ (2
Irgendwann werden wir einmal alle unter Blumen und Erde liegen.
Jetzt, Gott sei Dank, sind Sie und ich, sind wir da – und ist es Zeit für uns zu blühen.
Es ist übrigens keine Demut, wenn Menschen sich künstlich klein machen, etwa wenn sie von anderen gelobt werden wollen.
„Schaut her, wie bescheiden ich bin!“
Diese selbstgemachte Demut ist nur ein anderes Gewand des Hochmuts.
Wahre Demut heißt: Die eigene endliche Schönheit erkennen – ebenso wie die aller anderen.
Und zugleich Gott allein die Ehre zu geben.
So leben zu können, ist ein Geschenk.
Etwas, was Gottes Geist in mir wirkt, gerade jetzt in der Pfingstwoche.
Wenn ich etwa auf das Meer, die Berge, den unendlichen Sternenhimmel schaue.
Und spüre: Ich bin ein wunderbares und zugleich begrenztes Geschöpf.
Und wenn ich dann mein eigenes, kleines Leben unter die Füße nehme.
Nicht gleich die ganze Welt retten. Das ist Gottes Sache.
Aber mich um die Menschen kümmern, die mir anvertraut sind.
Das wünsche Ihnen heute: Gottes Atem in Ihrer Seele und Erde unter Ihren Füßen.
Genießen Sie die wunderschöne Endlichkeit, die Gott Ihnen geschenkt hat.
Ihr Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland aus Düsseldorf.
Quellen:
(1) So Papst Franziskus in der Generalaudienz vom 22.5.2024. Vgl. den Bericht von Stefan v. Kempis in den Vatikan news, zitiert nach: https://www.vaticannews.va/de/papst/news/2024-05/generalaudienz-papst-franziskus-demut-tugend-katechese-maria-rom.html (letzter Abruf am 05.05.25)
(2) So Lutherbibel 2017, Psalm 103, 15f.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze