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Kirche in WDR 3 | 17.06.2025 | 07:50 Uhr
Hitzkopf
Die Brust wird eng. Der Kopf heiß. Und irgendwie fühlt es sich an, als würde ich brennen. Ich hab zwar keine Blechtrommel. Aber wütend sein wie Oskar Matzerath aus dem Roman von Günter Grass, das kann ich auch. Denn: Ich bin ein Hitzkopf. Zwar merkt man mir das nicht gleich an – aber enge Freunde kriegen das schonmal mit. Auch wenn’s selten gegen sie geht. Ich bin ein echter Meckerprofi. Hörer in die Hand – Simon anrufen oder wen auch immer – und dann geht’s los: „Du glaubst nicht, was passiert ist! So eine Unverschämtheit! Unglaublich!“ Und dann … ja, dann dauert’s auch mal, bis ich wieder runterkomme. Gelegentlich kann das auch in 20 sehr deutlichen WhatsApp-Nachrichten münden. Ich weiß: Das ist nicht die beste Art, damit umzugehen. Aber ich arbeite ja dran. Und es passiert heute viel seltener als früher. Die meisten Freunde nehmen’s gelassen. „Ach, Stephan hat mal wieder seine fünf Minuten.“
Als Kind war das noch schwieriger – mit der eigenen Wut, aber auch mit der Wut der anderen. Ich denke da an Sabrina. Lange meine beste Freundin. Und ehemalige Nachbarin. Ein Jahr jünger als ich – aber damals – als Kind – deutlich stärker. Und wütender. Ich hab‘s von Sabrina oft abbekommen. Die Dornenhecke im Vorgarten kennt mich noch ganz gut. Zum Glück hat sie irgendwann gelernt, mit ihrer Wut umzugehen. Ich auch. Ein bisschen zumindest.
Einfach ist das nie – mit der Wut. Egal ob Kind oder als Erwachsener. Denn sie ist da. Und das ist auch gut so! Sie kann den inneren Ofen anschmeißen, wenn sonst alles lethargisch ist. Sie kann mir zeigen: Da geht ja doch noch was. Und doch kann sie mich mitunter auch überfordern. Was mir dann hilft? Mich zu fragen: Warum bin ich eigentlich wütend? Fühle ich mich nicht gesehen? Fühle ich mich nicht wertgeschätzt?
Und: Hat das wirklich was mit den anderen zu tun? Oder vielleicht viel mehr mit mir selbst? Das ist eine Haltung, die man üben kann: Einen Schritt neben sich zu treten. Sich selbst beobachten. Von innen. Und von außen. Wie aus Gottes Perspektive. Nicht bewerten. Nur wahrnehmen.
Das hilft mir. Und Ihnen?
Ich grüße Sie aus Münster.
Ihr Stephan Orth.