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Kirche in WDR 3 | 19.06.2025 | 07:50 Uhr
Fronleichnam: Vom Aussetzen und loslassen
Reden wir mal übers „Aussetzen“. Denn: Heute ist Fronleichnam. Ein katholisches Hochfest – und irgendwie … seltsam: Da ziehen Menschen mit sogenannten Monstranzen durch die Straßen, tragen goldene Strahlenkränze, trällern Kirchenlieder. Mittendrin: Gott – als „Leib Christi“ in Form von Brot. So glauben wir Katholiken das. Und wir nennen diese katholische Demonstration: Aussetzung. Nicht wie Hänsel und Gretel im Wald. Gott wird zur Schau gestellt. Und dieses Wort „Aussetzung“ hat mich schon als Kind irritiert. „Aussetzen“ – das klang für mich wie „sich schutzlos machen“. Und schutzlos sein kann weh tun.
Weh tut auch eine Erinnerung. Da ist diese eine Videokassette. So ein schwarzer Plastikklotz. Ende der 90er am Niederrhein. Und auf der Kassette hatten wir zwei Dinge aufgenommen: Disneys „König der Löwen“ und die Trauerfeier von Prinzessin Diana. Beides auf einer Kassette.
Und beides habe ich immer wieder angeschaut. Wegen zwei Szenen. Szene eins: Simba (der kleine Löwe) findet seinen Vater. Der liegt ohne Regung im Staub. Überrannt von Gnus. Tot. Simba ruft „Papa“, weint – und rennt davon. Szene zwei: Elton John am Flügel. Westminster Abbey. „Candle in the Wind“– Goodbye, Englands Rose. Ich war vielleicht fünf, sechs Jahre alt. Und ich konnte nicht weggucken. Ich habe mich diesen Szenen ausgesetzt – immer und immer wieder. Und jedes Mal musste ich weinen.
Bis heute ist das so: Ich konfrontiere mich mit Schmerz. Gehe hinein. Immer wieder. Vielleicht, um Kontrolle zu behalten? Oder, weil ich schwer loslassen kann? Was ich weiß; Festhalten hilft nicht. Was vorbei ist, ist vorbei. Aber das anzuerkennen, ist echt harte Arbeit. Und tut weh.
Ob Freundschaften enden, Beziehungen auseinandergehen, oder Lebensphasen zu Ende sind: Nur wenn ich loslasse, lässt auch mich der Schmerz los. Und da bin ich wieder bei Fronleichnam. Bei diesem „Aussetzen“. Vielleicht heißt das gar nicht: Gott zur Schau stellen. Vielleicht geht auch darum, sich selbst auszusetzen: Vielleicht heißt Aussetzen, etwas loszulassen, etwas offen zu machen, etwas freizumachen, damit Beziehung – wieder – möglich ist.
Ich wünsche Ihnen den Mut dazu. Den Mut loszulassen, was Sie nicht ändern können. Und dass Sie darin etwas spüren von dem, was trägt.
Und bleibt.
Ich grüße Sie aus Münster.
Ihr Stephan Orth.