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Kirche in WDR 3 | 26.09.2014 | 07:50 Uhr
Vollkommene Transparenz?
Guten Morgen.
Von ihr wissen wir es, und sicherlich gibt es auch noch andere dieser „Sicherheits-Agenturen“, die es auf unser Privatleben abgesehen haben. Die „National Security Agency“ (NSA) hat sich in der jüngsten Vergangenheit nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Empörung macht sich breit, weil auch angeblich „gute Freunde“ ausgespäht worden sein sollen. Hilflos agieren europäische Sicherheitspolitiker, wenn sie fordern, Datenströme dürften nur innerhalb Europas fließen. Naiv zu glauben, das sei so einfach zu machen. Längst haben die Akteure des Internet Länder- und Kontinentalgrenzen fallen lassen, längst kann man im Zeitalter der Hochgeschwindigkeits-Datenübertragung auch mit technischen Hilfsmitteln kaum mehr verfolgen, welcher Datenstrom denn nun gerade auf welchem Weg woher kommt. Die Welt ist zu einem Dorf geworden, in dem jeder jeden kennen kann, wenn er es denn will.
Das ist eine, wenn nicht die Herausforderung des noch frischen 21. Jahrhunderts, sich vom Klein-Klein der Grenzen von Ländern und Kontinenten zu verabschieden. Die Gesetzgebung, wenn sie sich denn überhaupt noch mit dem Phänomen einer globalisierten Welt befasst, kommt längst nicht mehr hinterher und wird von den internationalen Daten-Akrobaten nur noch müde belächelt. Das kann Angst machen – muss es aber nicht. Vor allem dann nicht, wenn man entsprechend verantwortlich mit sensiblen Daten umgeht. Das beginnt schon im ganz kleinen, persönlichen Bereich. Soziale Netzwerke machen sich dort breit und locken mit totaler Transparenz und der Möglichkeit, Informationen ganz schnell ganz breit zu streuen. Muss ich da hemmungslos mitmachen? Warum sollte ich mich über eine datensammelnde Informationskrake wie die NSA aufregen, wenn andererseits zu jeder Zeit mein aktueller Aufenthaltsort für jedermann weltweit mit einem Klick auszumachen ist? Gerade der sogenannte „arabische Frühling“ hat die Widersprüchlichkeit dieses Komplexes eindrucksvoll offenbart: Einerseits endlich die Möglichkeit freier, auch kritischer Meinungsäußerung über alle Zensuren hinweg - andererseits der neugierige Blick aller bis in den intimsten Winkel des Lebens Einzelner. Einerseits Informationswellen, die ganze Regime zum Zusammenbruch bringen, andererseits gezielte Desinformation im Sinne eigener politischer Ziele. Mit der Wahrhaftigkeit ist es dabei oft nicht weit her.
Und das scheint mir das entscheidende Stichwort zu sein: Wahrhaftigkeit. Wie viel davon sind wir denn noch bereit zu ertragen?
Damit tut sich eine ganz neue Dimension auf in der Diskussion um Sicherheitsdienste, Kriegsgefahren, Kirchenfinanzen und Polit-Geklüngel. Transparenz wird in jedem dieser Bereiche gefordert. Gut so. Transparenz ist immer gut. Doch von wem und für wen ist sie gut? Wer kann die vielgeforderte Transparenz ertragen, wer kann mit Wahrhaftigkeit, letztlich mit der ganzen Wahrheit wirklich leben? Ich bin mir unsicher, ob ich mir so eine allergrößte Transparenz, die ganze Wahrheit wirklich wünsche. Ja, denn die Wahrheit kann verletzen, uneingeschränkte Transparenz kann auch menschen-unwürdig sein. Auch wenn so mancher in diesen Tagen vollmundig tönt: „Von mir können die ruhig alles wissen – ich habe nichts zu verbergen...!“
Auch hier wäre ein wenig Vorsicht angebracht, denn jeder Mensch braucht zum guten Überleben seine kleinen und manchmal auch großen Geheimnisse. Ob die NSA sie nun mitbekommt oder nicht.
Sie werden sich vielleicht fragen, warum gerade ein Priester und Beichtvater Ihnen rät, auch ein Geheimnis zu hüten. Heißt es nicht im dem Kinderkirchenlied „Pass auf kleines Auge, was Du siehst? ...Der Vater im Himmel schaut immer auf Dich...“ Aber ich erfahre gerade aus meiner Gottesbeziehung her, dass dieser Blick „ich sehe Dich ganz“ nichts mit einem Durchleuchten zu tun hat, nichts mit Sicherheitsdienst, sondern mit Liebe. Mit einem liebenden Blick. Und wenn Liebe kein Geheimnis mehr hat, dann ist sie nichts mehr wert.
Hüten sie Ihre kleinen und großen Lebensgeheimnisse gut – rät Ihnen Ulrich Clancett aus Jüchen.