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Kirche in WDR 3 | 30.01.2015 | 07:50 Uhr
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Klack, Klack, Klack (WÜRFELGERÄUSCH!!) – Oh nein! Jetzt ist zwar diese Seite endlich komplett einfarbig grün – aber jetzt stimmt wieder die andere Seite nicht mehr und hat ihre Einfarbigkeit verloren. Was ich gerade hier in den Händen halte, ist ein so genannter „Zauberwürfel“ – Sie kennen ihn bestimmt, diesen sechsfarbigen Würfel, dessen einzelne Elemente sich senkrecht und waagerecht verdrehen lassen. Guten Morgen!
Heute vor 40 Jahren ließ der Ungar Ern? Rubik sein erstes Exemplar dieses Zauberwürfels patentieren. Anfang der 80-er Jahre hatte ihn fast jeder in meiner Generation. Man drehte, verdrehte und probierte die Elemente so zu bewegen, dass aus dem bunten Farbmix bald wieder sechs farblich identische Seiten wurden. Die Lösung dieser Herausforderung lag in der Mathematik – und war nicht dem Zufall zu überlassen.
Für mich ist das Herumdrehen, um Ordnung in das Chaos zu bringen, ein Bild für mein Leben. Kaum habe ich diese Seite meines Lebens in Ordnung gebracht, tut sich auf der anderen Seite eine neue Baustelle auf – die Präsentation aller Seiten in einer Farbe scheint ein Zustand zu sein, den ich in diesem Leben nicht erreichen werde. Um aber im Farbwirrwarr des Lebens weiter zu kommen, ist vor allem eines angesagt: Bedachtsamkeit, nicht Willkür. Bevor ich in meinem Leben an einer Stelle etwas verschiebe, muss ich überlegen, dass sich dadurch auch an anderer Stelle etwas verändert. Wenn ich mich entscheide, den guten Freund im Krankenhaus zu besuchen, habe ich jetzt keine Zeit mehr, im Supermarkt einzukaufen. Ich muss mich, wie mit dem Würfel in der Hand, mit Vernunft entscheiden, etwas so zu tun, dass die Folgen mitbedacht werden. Einfach nur auf gut Glück zu entscheiden, führt selten zum Ziel und schon gar nicht bei dem Zauberwürfel; sich dem Handeln zu verweigern übrigens auch nicht: „Aufschieberitis“ ist kurzfristig zwar bequem, bringt mich aber nicht weiter, sondern führt eher dazu, dass ich nicht mehr Herr oder Herrin des Geschehens bin.
Schnell nach der Markteinführung des Zauberwürfels haben Mathematiker nach der schnellsten Lösung gesucht, den Würfel wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen. Diese Lösung hat einen bemerkenswerten Titel erhalten: Gottes Algorithmus. Das bedeutet: die Lösung auf dem kürzesten Weg, die ideale, perfekte Lösung, die Lösung, die sich ergibt, unter Verwendung der menschlichen Vernunft. Zu dieser Lösung gehört auch, dass sie bedenkt, dass alles miteinander vernetzt ist und zusammenhängt. Die Verbindung dieser Lösung mit Gott heißt für mich: Gott hat dem Menschen viel geschenkt; der Verstand gehört unbedingt mit dazu. Und an Gott zu glauben bedeutet für Christen eben gerade auch, den Verstand zu benutzen und die von Gott geschenkte Gabe der Vernunft einzusetzen. Für mich stellt sich das konkret an einer Stelle dar: Nicht alles, was mir im ersten Moment in meinem Leben bequem und passend erscheint, ist auch für andere Menschen gut. Oder, um im Bild des Würfels zu bleiben: Wenn ich die für mich sichtbare Seite gut gestalte, heißt das nicht notwendigerweise, dass die anderen Seiten auch in Ordnung sind. Die christliche Sicht ist der Blick auf das Ganze – so schwer das auch sein mag. Meine Aufgabe ist es, zu schauen, welche Auswirkungen meine Handlungen auf andere Menschen haben können. Genauso wie beim Würfel stellt das auch für mein Leben eine ganz schöne Herausforderung dar, immer auch das Gesamtgefüge möglichst mit zu betrachten. Das bedeutet nichts anderes als Verantwortung zu übernehmen für das, was ich tue. In einer immer komplexer werdenden Welt ist das gar nicht einfach. Das fängt im Alltag beim Einkauf an: Wenn im Schnäppchenladen eine Hose ausgesprochen billig angeboten wird, dann kann das bedeuten, dass dieses Kleidungsstück in einer asiatischen Fabrik unter ausbeuterischen Bedingungen, vielleicht sogar durch Kinderhände, hergestellt worden ist. So vorteilhaft das für mich auf den ersten Blick ist, ein Schnäppchen zu machen, so hat es aber auch seine ausbeuterischen Schattenseiten. Ich brauche eine vernünftige Sicht auf die eine große Welt, die komplex und kompliziert ist. Diese Sicht führt – so hoffe ich - langfristig dazu, dass es nicht nur mir gut geht, sondern dass es auch anderen Menschen auf der Welt gut geht.
Ich wünsche Ihnen die Offenheit, den Blick auf das Ganze heute zu wagen und nach vernünftigen Entscheidungen zu suchen. Aus Duisburg grüßt Sie Meike Wagener-Esser.