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Kirche in WDR 3 | 28.03.2015 | 07:50 Uhr
Esel
Guten Morgen!
Ich bin gebürtig aus Unna. Vielleicht ist das der Grund, warum ich einige Besonderheiten dieser Stadt sehr mag. An einem der beiden Türme der Katharinenkirche zum Beispiel gibt es eine besondere Attraktion zu entdecken: Hoch oben, in luftiger Höhe, findet sich ein in Stein gehauenes Bild eines – Esels samt seines Eseltreibers. Der versucht ihn von der Stelle zu bewegen, vergeblich. Der Esel wehrt sich sogar. Er ist störrisch und tut nicht, was er soll.
Das Bild vom Esel und seinem Treiber ist nicht zufällig dort oben angebracht. Der Esel ist zwar nicht das Wappentier der Stadt, er ist aber so etwas wie ihr Wahrzeichen.
Der Esel – gilt als das störrische Tier. Kommt es daher, dass Esel nicht unbedingt angesehen sind?
Es gibt da eine merkwürdige Geschichte in der Bibel, die mit dem negativen Bild vom Esel aufräumt – gerade mit seiner Sturheit. Sie erzählt von einem Propheten mit Namen Bileam.
Bileam soll im Auftrag des Königs von Moab, seines Herrn, die Israeliten verfluchen. Die sind aus Ägypten geflohen und wollen nun in das Gelobte Land Israel einziehen. Unterwegs durchqueren sie andere Königreiche, nicht gerade zum Wohlgefallen der dortigen Bevölkerung, denn die Israeliten ernähren sich ja auf deren Kosten.
Und so soll Bileam sie im Auftrag des Königs verfluchen, damit sie das Land Moab meiden. Nach einigem Widerstreben reitet Bileam los, natürlich auf seinem Esel. Aber – wie kann es anders sein – das Tier bockt. Der Grund: Ein Engel verwehrt ihm den Weg. Nur, dass der Prophet diesen Engel nicht sieht. Offenbar ist der Esel dem Menschen voraus. Er muss freilich erdulden, dass er von Bileam geschlagen wird. Dreimal hintereinander versucht Bileam, den Esel mit Stockschlägen zu motivieren, weiterzugehen. Vergebens! Der Esel rührt sich nicht von der Stelle.
Schließlich fragt der Esel den Bileam mit menschlicher Stimme: „Was habe ich dir getan, dass du mich jetzt schon zum dritten Mal schlägst?“ (Num 22,28) Bileam merkt so endlich, dass sich dem Esel ein Engel in den Weg gestellt hat. Die Geschichte endet damit, dass er die Israeliten schließlich nicht verflucht, sondern sie im Gegenteil segnet.
Was mir an dieser Geschichte besonders gefällt, ist die schlichte Erkenntnis, dass die Tiere in manchem einen Instinkt haben und die Wirklichkeit besser wahrnehmen als wir Menschen. Das lässt mich bescheiden sein.
Und dann ist da noch etwas, was ich für wichtig halte: Die Erkenntnis nämlich, dass nicht jede Störung meiner Pläne ein Schaden sein muss. Sicher, im ersten Augenblick denke ich: Auch das noch heute, dieser Stau auf der Autobahn, dieser Telefonanruf – oder, im schlimmsten Fall diese Krankheit.
Manchmal aber zeigt sich, dass gerade diese Unterbrechung meines Alltags, diese Störung, von Nutzen ist und mich sogar weiter gebracht hat. Ich bin vielleicht reifer geworden als ich vorher war oder Dinge haben sich besser gefügt als geplant.
Aber es gibt noch einen weiteren Aspekt, der mit dem Esel in der Bibel zu tun hat: Morgen ist ja Palmsonntag. Die Christen feiern an diesem Tag den Einzug Jesu in Jerusalem. Jesus reitet in die Stadt hinein – wie einst Bileam – auf einem Esel – ganz bescheiden. Er will damit deutlich machen, dass er nicht herrschen, sondern dienen will. Diesmal bockt der Esel nicht, denn ein Engel muss hier nicht etwas verhindern. Ganz im Gegenteil: Das, was mit dem Palmsonntag, dem Einzug in Jerusalem beginnt, das ist die Umsetzung von Gottes Willen pur: Gott gibt sich den Menschen hin in seinem Sohn Jesus, damit die Menschen erlöst werden. Gut, dass da kein störrischer Esel dazwischen war.
Pfarrer Heinz-Josef Löckmann aus Paderborn-Marienloh.