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Choralandacht | 14.11.2015 | 07:50 Uhr

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Wir warten dein, o Gottes Sohn (eg 152)

Autor: Auf einmal war seine Stimme nur noch ein heiseres Flüstern. Immer schwerer fiel dem Pfarrer das Predigen. Dabei war doch die Sprache die Grundlage für seinen Beruf. Nicht öffentlich reden können? Unvorstellbar. Aber es half nichts: Nach 28 Berufsjahren konnte Pfarrer Philipp Friedrich Hiller mit einem Mal nicht mehr zu seiner Gemeinde sprechen. Was tun? Ihm wurde ein Vikar zur Seite gestellt, der das Predigen übernahm. Hiller selbst beschränkte sich auf die Seelsorge, er verstärkte sein Bibelstudium und führte Bibelgespräche in kleineren Gruppen.

Und vor allem konzentrierte er sich auf das Schreiben von Gedichten. Das hatte er schon von Jugend auf getan, aber jetzt wuchs die Zahl seiner Lieder auf über tausend an. Vier davon finden wir in unserem Evangelischen Gesangbuch. Das bekannteste ist sicher das Lied zum Himmelfahrtstag 'Jesus Christus herrscht als König'. Im November wird in unseren Kirchen an die Vergänglichkeit erinnert, Texte und Lieder wollen uns bestärken in der Hoffnung auf die neue Welt Gottes am Ende aller Zeiten. In unseren Kirchen singen Menschen jetzt oft ein anderes Lied von Philipp Friedrich Hiller:

Musik: Wir warten dein, o Gottes Sohn... 1. Strophe

Wir warten dein, o Gottes Sohn, und lieben dein Erscheinen.

Wir wissen dich auf deinem Thron und nennen uns die Deinen.

Wer an dich glaubt, erhebt sein Haupt und siehet dir entgegen;

du kommst uns ja zum Segen

Autor: Ich kann es kaum glauben, dass so ein zuversichtliches Lied aus der Feder eines Menschen stammt, der durch eine so elementare berufliche Not so belastet war. Der Dichter lässt seinen Kopf nicht hängen, ist ganz und gar nicht mutlos, nein, er erhebt sein Haupt und schaut nach vorne. Auch die Frage, was aus seinen 11 Kindern werden würde, wenn er seinen Beruf verlieren würde, scheint ihm keine Sorgen zu bereiten Er wusste, dass er zuverlässige Freunde hatte. In der Zeit, als er seine Stimme verlor, schrieb Pfarrer Hiller an seinen Lehrer und Freund Johann Albrecht Bengel:

Sprecher: "Ich bin eine Zeit her in so schweren Anfechtungen, dass sie mir bisweilen übermenschlich zu sein scheinen. Ich bete, ich weine, ich schütte mein Herz aus, flehe um Wiedererlangung meiner Stimme ... Ich kann nicht unterlassen, Dich, den Diener Jesu Christi, aufs angelegentlichste zu bitten, dass auch Du Deinen und meinen Herrn angehest und bittest, dass Er, da Er größer ist als mein Herz, mich seines Willens gewiss zu machen die Gnade habe, sei es durch Seine Hilfe, sei es dadurch, dass Er mir aus Seinem Worte Weisheit gibt zum Dulden nach Jakobus 1, sei es durch Deinen Rat oder Deinen Trost oder Deine Belehrung." (1)

Autor: Philipp Friedrich Hiller denkt an einen Satz aus dem Brief des Jakobus im Neuen Testament: „Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewährt ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, die Gott verheißen hat denen, die ihn liebhaben.“

Leiden, Anfechtungen, Zweifel erdulden – das ist nicht gerade das, wonach Menschen sich sehnen. Wir können unversehens selbst in so etwas hineingeraten: Da hat einer einen Moment nicht aufgepasst, und da ist es geschehen: Ein schlimmer Unfall, und der andere ist zeitlebens auf den Rollstuhl angewiesen. Und man fragt sich, wie soll der wieder leben können, der für einen kleinen Augenblick abgelenkt war und den Unfall verschuldet hat.

Oder da ist die junge Mutter von drei Kindern. Eine glückliche Familie waren sie, dachte sie zumindest. Bis vor kurzem ihr Mann auszog und ihr lapidar erklärte, er fühle sich überfordert. Jetzt hadert sie mit Gott und ihrem Schicksal und weiß nicht, wie lange sie für ihre Kinder noch durchhalten kann

Philipp Friedrich Hiller fand sich in existenziellen Nöten wieder. Die Stimme war sein Kapital, daran hing sein Beruf, der Lebensunterhalt für seine Familie. „Ich bete , ich weine, ich schütte mein Herz aus, flehe um Wiedererlangung meiner Stimme.“ Seine Stimme hat er nicht wiederbekommen.

Aber sprachlos war er trotzdem nicht.

Musik: Wir warten deiner mit Geduld... 2. Strophe

Wir warten deiner mit Geduld in unsern Leidenstagen;

wir trösten uns, dass du die Schuld am Kreuz hast abgetragen;

so können wir nun gern mit dir uns auch zum Kreuz bequemen,

bis du es weg wirst nehmen.

Autor: Jedes Strophe seines Liedes fängt Pfarrer Hiller gleich an: „Wir warten dein...“ Eine altmodisch klingende Genitivform. Wir würden heute sagen: „Wir warten auf dich...“ Ob Menschen heute auf Gottes Sohn warten, also auf Jesus Christus, das ist eher fraglich. Biblische Texte reden davon, dass der einst wiederkommen wird, dass dann alles Leiden vorbei sein wird, dass dann alles gut sein wird. Glaubt das noch einer in unseren Tagen? Hofft darauf noch ein Mensch unserer Zeit?

Im 18. Jahrhundert hielt diese Hoffnung die Menschen aufrecht und gab ihnen Mut zum Leben: Philipp Friedrich Hiller drückt es so aus:

Sprecher: „Wer an dich glaubt, erhebt sein Haupt und siehet dir entgegen; du kommst uns ja zum Segen.“

Autor: Manche meinen, dass sich fromme Christen aus ihrer Verantwortung für notleidende Menschen wegstehlen. Sie können es kaum erwarten, dass ihr Herr Jesus Christus wiederkommt, also legen sie ihre Hände in den Schoß. So eine Haltung gibt es, aber meistens ist das Gegenteil der Fall: Die Hoffnung, dass Jesus wiederkommt, versetzt sie in eine Unruhe. Sie spüren ihre Zeit in dieser Welt soll eine aktive sein, in der sich die Christen den Nöten der Menschen annehmen. Nichts anderes bedeuten diese Zeilen:

Sprecher: „...so können wir nun gern mit dir uns auch zum Kreuz bequemen, bis du es weg wirst nehmen.“

Autor: Sich zum Kreuz bequemen, das heißt, sich nicht scheuen bei den Leidenden zu sein, so wie Jesus selbst sich zu den Elenden gestellt hat. Und dann wächst die Hoffnung, dass einmal das Leid überwunden sein wird: „...bis du es weg wirst nehmen.“ Nicht von ungefähr wurden als Folge dieser Hoffnung im 17. und 18. Jahrhundert zahlreiche Einrichtungen für notleidende Menschen gegründet. Auch an den Tierschutz wurde schon gedacht. Und heute sind es viele Christen, die ohne nach der Herkunft oder der Religion zu fragen, sich zum Beispiel um die Flüchtlinge kümmern, die bei uns Schutz vor Verfolgung und Elend suchen.

Die Erwartung, das Jesus einmal wiederkommt, versetzt Christen weder in eine überdrehte Euphorie noch in Schockstarre. Sie spüren aber, dass sie auf eine gute Zukunft im Frieden zugehen. Die Hoffnung auf das Kommen Jesu, gibt ihnen Mut und Kraft und Phantasie sich schon jetzt den Menschen in Not zuzuwenden. Der schwäbische Pfarrer Hiller, der seine Stimme verloren hatte, war davon überzeugt, dass einmal in der sichtbaren Gegenwart Jesu alles gut sein wird. Er nennt es in seinem Lied Ruhe, Frieden und ein herrliches Leben. Er hat auf eine neue Weise seinem Glauben eine Stimme geben können. Eine fröhliche und zuversichtliche Stimme.

Musik: Wir warten dein, du kommst gewiss... 4. Strophe

Wir warten dein, du kommst gewiss, die Zeit ist bald vergangen;

Wir freuen uns schon überdies mit kindlichem Verlangen.

Was wird geschehn, wenn wir dich sehn, wenn du

uns heim wirst bringen, wenn wir dir ewig singen!

Musikinformation:

CD-Name: Mir ist Erbarmung widerfahren – Philipp Friedrich Hiller

Titel: Wir warten dein, o Gottes Sohn

Melodie: Severus Gastorius, 1679

Satz: Johann Sebastian Bach

Chor: Solistenensemble

Leitung: Gerhard Schnitter

Verlag: Hänssler Verlag

Label: hänssler

LC-Nr.07224

Zitate:

(1) Arthur Leidhold, Philipp Friedrich Hiller, Blätter für württ. Kirchengeschichte, Bd. 59, 1959, S.160

(2) Gustav W. Heinemann, Glaubensfreiheit – Bürgerfreiheit. Reden und Aufsätze. Kirche-Staat-Gesellschaft, 1945-1975, hg v. Dieter Koch, München 1990, 68 (Deutscher Evangelischer Kirchentag, Essen 27.8.1950)

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