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Kirche in WDR 3 | 15.07.2016 | 07:50 Uhr

Schweigeanrufe und Beten

Guten Morgen,

von Schweigeanrufen habe ich erst etwas gehört, seitdem ich mich mit der Telefonseelsorge beschäftige. Schweigeanruf, das klingt wie ein Widerspruch in sich: Im Wort „Anruf“ steckt ja schon der Ruf drin. Wie aber muss sich das anfühlen, wenn da keiner spricht?

Tatsächlich gehören Schweigeanrufe zum Alltag der Telefonseelsorgerinnen und Telefonseelsorger. Bei den 1,8 Millionen Anrufen pro Jahr, beginnen viele mit Schweigen – und sehr viele enden auch damit.

Eine Telefonseelsorgerin hat mir erzählt, dass die Ehrenamtlichen in ihrer knapp einjährigen Vorbereitung besonders geschult werden für diese Anrufe ohne Worte. Der Schweigeanruf ist die mysteriöseste Form des „Telefongesprächs“, eben absolut zurückgenommen: Kein Name, kein Wort, hörbar sind nur die Geräusche im Hintergrund und das Atmen in den Hörer. Die Gründe, warum der Anrufer oder die Anruferin schweigt, bleiben natürlich verborgen. Manchmal fehlen sprichwörtlich die Worte. Manchmal reicht die Kraft nicht mehr. Manchmal braucht eine Person in einer schweren psychischen Krise nur das Gefühl, dass jemand da ist und ruft an, bis das Beruhigungsmedikament anfängt zu wirken.

Die Telefonseelsorgerin sagte mir, sie merke sehr schnell, ob es sich um einen dieser Schweigeanrufe handelt. Dann ist sie umso mehr gefragt in der Kunst des Zuhörens: Hört man ein Schluchzen? Ein Röcheln? Wirkt das Schweigen traurig oder ärgerlich? Ist es gar ein Kampfschweigen? Auch das gibt es: Da versucht der Anrufende auszutesten, wie lange der andere das Schweigen aushält. Wie auch immer. Alle Aufmerksamkeit richtet sich auf den anderen, der schweigt. Und zugleich spürt die Telefonseelsorgerin nach, was das Schweigen für Resonanzen in ihr auslöst. Ihre Frage lautet: Komme ich in Kontakt mit dem Menschen, der schweigt?

Ob man versucht sei, dazwischen so etwas wie ein Sudoku zu lösen, frage ich etwas flapsig nach. Es interessiert mich, denn es braucht bestimmt Kraft, um nicht abzuschweifen. Nein, erwidert die Telefonseelsorgerin ernst: Es sei wichtig, auch im Schweigen zu signalisieren, ich bin da. „Und das geht nur, indem ich dann auch da bin. Mit aller Aufmerksamkeit“, erklärt sie. Manche dieser Anrufe können bis zu einer Viertelstunde dauern, sagt sie mir. Und erst, sobald sie merke, dass sie den Kontakt verliere zu dem Menschen, der schweigt, dann sage sie, sie wolle in einer absehbaren Zeit auflegen. Ich bin fasziniert: Ob sie Kontakt hat oder nicht, das kann sie letztlich nur festmachen an ihrer Intuition.

Ich bin deshalb fasziniert, denn genau so geht es mir beim: Beten! Sie haben richtig gehört. Ich kann das nur für mich persönlich sagen: Aber das tiefe Gebet, das nicht schnell die Worte auf der Zunge daher plappert, das hat für mich etwas zu tun mit diesem Schweigeanruf. Dann schweige ich. Und er schweigt auch. Denn ich gestehe: Ich habe noch nie Gott zu mir sprechen gehört. Ich weiß nicht, wie es anderen geht. Vielleicht hören andere Stimmen. Gott schweigt. Was aber nicht heißt, dass er nicht da ist.

Für mich geht es bei diesem tiefen Gebet im Schwiegen letztlich aber um genau dasselbe, wie der Telefonseelsorgerin: Kontakt finden. Kontakt zu dem, „der mich unbedingt angeht“, wie es der Theologe Schleiermacher mal gesagt hat. Unbedingt, das heißt auch: Jenseits der Worte.

Seit ich von den Schweigeanrufen gehört habe, fasziniert mich dieser Gedanke in Bezug auf mein Beten: Wenn ich Kontakt haben möchte, braucht es keine Worte. Und dennoch merke ich: Er ist da.

Klar, manchmal wünschte ich mir schon ein Wort, das tröstet, ein Wort von Sinn. Aus seinem Mund. Wenn dann auf meine tiefsten Fragen jenes Schweigen kommt, mache ich es im Grund wie die Telefonseelsorgerin: Ich achte umso mehr auf die Nebengeräusche.

Oft bekomme ich genau da die Hinweise, die ich suche.

Einen guten Freitag wünscht Klaus Nelißen aus Köln.

Bildrechte: david pacey (flickr) CC BY 2.0

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