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Kirche in WDR 3 | 26.08.2016 | 07:50 Uhr
„Bruder Leib“ – Gesundheit als geistliche Aufgabe
Guten Morgen,
in der geistlichen Begleitung begegnen mir immer wieder Menschen, die zunächst kaum auf ihre Leiblichkeit Rücksicht nehmen, aber die das dann ganz langsam einüben.
Ähnlich erging es dem heiligen Franz von Assisi. Von ihm wird erzählt , wie sehr Körper und Geist miteinander ringen, als er schon stark von seiner Krankheit gezeichnet ist. Sein Körper setzt ihm klare Grenzen, er kann kaum noch sehen und ist völlig erschöpft. Aber immer noch melden sich Gewissensbisse, wenn er seinen Körper schont. Nach wie vor fastet er streng und gönnt sich kaum Arzneien, die seine Beschwerden lindern. Aber er spürt wohl, dass es so nicht weiter geht.
In dieser Situation fragt er einen Ordensbruder um Rat. Franziskus erhält einen sehr feinfühligen, aber auch klaren Rat. Der Bruder öffnet ihm die Augen dafür, dass sein Leib ihm lebenslang gute Dienste geleistet habe, wie ein guter Freund. Schließlich fragt der Bruder Franziskus: „Ist es angemessen und vernünftig, diesen Freund nun in der Not im Stich zu lassen und ihm nicht das zu geben, was er braucht?“ Bevor Franziskus antworten kann, gibt der Bruder selbst die Antwort: So ein Umgang mit dem Leib ist eine Sünde gegen den Herrn.
Klare Worte! Franziskus wird sehr nachdenklich, ja beinahe kleinlaut. Er gibt dem Bruder Recht und bedankt sich bei ihm. Aber nicht nur das. Er wendet sich seinem Leib zu und beginnt ihn anzureden. Wörtlich heißt es: „Freue dich, Bruder Leib, und vergib mir. Von nun an will ich gern deine Wünsche erfüllen, gern beeile ich mich, deinen Beschwerden abzuhelfen und deinem Verlangen nachzukommen.“ Schon im Angesicht des Todes findet Franziskus zu einem neuen Verhältnis zu seinem eigenen Leib. Nie hat er sich um seinen eigenen Leib gekümmert, ihm oft Gewalt angetan, ganz der Frömmigkeit seiner Zeit entsprechend. Der Leib galt als Gegner des Geistes, man meinte daher, den Leib hart zu züchtigen. Und nun ganz neue Töne! Franziskus wächst über sich hinaus und sprengt plötzlich die Fesseln seiner Zeit. Der Leib ist nicht länger ein Feind, er sieht ihn sogar als Bruder. Das erinnert sofort an seinen berühmten Sonnengesang.
Ganz ähnlich hatte Franziskus darin die Elemente der Schöpfung als Bruder oder als Schwester angeredet. Und nun kommt der geschaffene Leib sozusagen nach. Endlich deutet sich eine Versöhnung an zwischen Leib und Geist. Franziskus hat sogar die Größe, seinen Leib um Vergebung zu bitten für seine rigorose Härte und seinen respektlosen Umgang. In einer anderen Quelle schlägt sich diese späte Einsicht nieder. Franziskus rät dort, im Essen, Trinken und Schlafen und den anderen Bedürfnissen dem Körper weise und maßvoll das zu geben, was er braucht. Gesundheit wird für ihn zu einer geistlichen Aufgabe. Fromm sein geht nicht mehr gegen den Leib, sondern in ihm und mit ihm.
Mich hat diese Begebenheit sehr aufgerüttelt. Sie redet mir ins Gewissen. Ist es auch für mich an der Zeit, meinen Leib um Vergebung zu bitten – und damit den, der diese Leiblichkeit geschaffen hat? Natürlich, aus religiösen Motiven sind die wenigsten Menschen heute hart gegenüber ihrem Leib. Und dennoch tun viele sich aus anderen Gründen Gewalt an: Durch ein Übermaß an Nahrung oder Alkohol, durch zu wenig Schlaf, exzessiven Sport, überfordernde Ideale, beruflichen Dauerstress, oder unmenschliche Körperideale, die dazu führen, dem Leib nicht das zu geben, wessen er bedarf.
Wie wäre das, mit dem eigenen Leib ins Gespräch zu kommen? Auf ihn zu horchen? Oder wie Franziskus ihn einmal vertraut als Bruder anzusprechen? Und was könnte es bedeuten, mehr auf den eigenen Leib zu achten und Gesundheit als eine geistliche Aufgabe zu sehen?
Aus Münster grüßt Sie Michael Höffner