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Choralandacht | 15.04.2017 | 07:50 Uhr

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O Traurigkeit, o Herzeleid, eg 80

Autor: Heute ist der internationale Tag gegen Zynismus. Ein Tag für Interesse, Respekt und Mitgefühl.

Oder - ist heute nicht Karsamstag? Ist das nicht so ein deprimierender Tag der Kirchen…? man hört doch nur von Leid und Tod am Karsamstag. Richtig fröhlich wird man nicht dabei. Soll ich mich heute wieder dieser alten Geschichte aussetzen? Jesus von Nazareth, sein Leid und sein Tod?

Ich höre doch den ganzen Tag nichts anderes: Elend in Syrien, Hunger in Afrika, das rückt mir jeden Tag schon auf die Pelle; ich sehe sie doch, die verschreckten Flüchtlinge, wie sie ihre kaputten Fahrräder durch die Stadt schieben; natürlich weiß ich, dass sie auch nur ein sicheres Leben suchen – und vielleicht ein Stück vom Glück in unserem Land bekommen möchten - und ich nehme die anderen wahr, die, die aufbegehren, die rebellisch werden. Manchmal befürchte ich, dass mir die Kraft zum echten Mitleid verloren geht. Dann möchte ich das alles nicht mehr anschauen. Dann treibt mich die Sorge um, dass wir eine Gesellschaft von Zynikern werden; Leute, die für das Leid der anderen bestenfalls Gleichgültigkeit übrig haben, oft sogar nur noch Verachtung.

Dieser Tag heute, der Karsamstag kann uns davor schützen. Ein Tag gegen den Zynismus – für Interesse, Respekt und Mitgefühl.

Musik 2: Archiv 084, Track 04

Autor: Das ist die Geschichte, die heute am Karsamstag erzählt wird. Jesus, Gottes Sohn, ja Gott selbst ist gestorben. Und nun wird er endgültig zu Grabe getragen. Der katholische Priester Friedrich von Spee schreibt diesen Gesang, um damit am Karfreitag eine Prozession zu begleiten. Eine Hostie, also das geweihte Abendmahlsbrot wird in die Seitenkapelle einer Kirche gebracht. So wird der Leib Christi symbolisch begraben. Und die Teilnehmenden sollen hören und sehen, wie sie selbst in diese Geschichte verwickelt sind. Dieses Anliegen nimmt der protestantische Gelehrte Johann Rist auf und dichtet weiter:

Musik 3: Archiv 005, Track 02

Sprecherin (overvoice): O Menschenkind – nur deine Sünd hat dieses angerichtet.

Da du durch die Missetat warest ganz vernichtet.

Autor: Leuchtet das ein? Unsere Sünde hat Gott beseitigt? Auf jeden Fall ist unsere Sünde dabei, die Menschen zu beseitigen. Das hatten Friedrich von Spee und Johann Rist jeden Tag vor Augen. Sie leben in der Zeit des 30-jährigen Krieges. Friedrich von Spee ist Seelsorger für Frauen, die in Hexenprozessen angeklagt werden; mit seiner berühmt gewordenen Streitschrift, der „cautio criminalis“, hat er den Wahnsinn aufgedeckt, der hinter den Hexen - Prozessen steht. Warum er sich so sehr für seine gequälten Mitmenschen einsetzt? Weil er sich das Leiden Jesu so genau anschaut.

Musik 2: Archiv 084, Track 04

Sprecherin: O Traurigkeit, o Herzeleid, ist das nicht zu beklagen?

Gott des Vaters einigs Kind wird ins Grab getragen.

Autor: Genau dieselbe Geschichte, die Geschichte vom Tode Gottes kann man auch ganz anders erzählen.

Sprecher: Habt ihr nicht von jenem tollen Menschen gehört, der am hellen Vormittage eine Laterne anzündete, auf den Markt lief und unaufhörlich schrie: „Ich suche Gott! Ich suche Gott!“ – „Wohin ist Gott?“ rief er, „ich will es euch sagen! Wir haben ihn getötet – ihr und ich! Wir alle sind seine Mörder.“ (1)

Autor: Gott ist tot – die Menschen haben ihn beseitigt. Vor über 140 Jahren hat Friedrich Nietzsche diese Botschaft seinen verwirrten Zeitgenossen entgegen geschleudert.

Nietzsche meint, die Menschheit werde mit dieser Tat auf eine neue Stufe gehoben.

Sprecher: Ist die Größe dieser Tat nicht zu groß für uns? Müssen wir nicht selbst zu Göttern werden, um ihrer würdig zu erscheinen?

Autor: So lehrt Nietzsche vor gut 140 Jahren und er übt damit bis heute erheblichen Einfluss aus auf das, was viele Menschen denken. Denn wenn wir Menschen Gott wirklich beseitigt haben, wenn wir Gott mit unserer Wissenschaft und unserer Technik wirklich aus dieser Welt geschafft haben, dann sind wir selbst die Götter auf Erden, dann haben wir alle Macht in den Händen – und niemand sonst. Dann ist auch jedes Mitleid völlig fehl am Platz. Mitleid bedeutet doch, eine Schwäche zu haben – Götter wie wir aber haben keine Schwäche.

Musik 3: Archiv 005, Track 02

Sprecherin: O große Not! Gott selbst ist tot. Am Kreuz ist er gestorben.

Hat dadurch das Himmelreich uns aus Lieb erworben.

Autor: Wie anders klingt es in dem Lied der alten Dichter. Es ist wirklich eine ganz andere Welt, die sich hier auftut– es ist die Welt des Glaubens. Dieser Glaube hängt sich an die Geschichte Jesu und sagt: was immer mir die anderen einreden, was immer auch auf mich einstürmt – ich vertraue auf diese Geschichte, ich glaube daran, dass Jesus in den Tod gegangen ist, und ich gehe diese Geschichte mit. Dieses Mitleiden mit Jesus macht mich nicht schwach; es macht mich stark. Es macht mir Hoffnung auf ein Leben, in dem der Tod seine Schrecken verliert. Liebe, Mitleid, Schwäche zeigen – das ist hier die Ankunft einer anderen Welt, das ist Gott Art mitten unter uns.

Dieser Glaube, dass im leidenden, sterbenden Jesus Gott selbst leidet und stirbt, dieser Glaube wird zu einer Kraftquelle. Plötzlich muss ich nicht mehr wegsehen oder mich über andere erheben. Ich kann hinsehen, Interesse zeigen für andere, Respekt haben vor ihrer Geschichte, Mitgefühl äußern, wo andere Leid aushalten müssen

So wie Friedrich von Spee in seiner Zeit sich an die Seite von gequälten Frauen gestellt hat, so tun das bis heute Menschen, die an Jesus Christus glauben. Sie gehen hin, setzen Zeit, Geld und Gehirn ein, um Kindern von Flüchtlingen bei ihren Schulaufgaben zu helfen, oder sie organisieren die Ausgabestellen der Tafeln im Land, wo Leute mit geringstem Einkommen Nahrungsmittel bekommen können.

Musik 4: Archiv 084, Track 02

Autor: Dieser Glaube bringt noch einmal eine ganz neue Perspektive ins Leben. Es geht darum, mit sich selbst und mit den anderen noch einmal neu anzufangen. Dietrich Bonhoeffer hat diesen Zusammenhang in einem Gedicht sehr schlicht und sehr eindringlich hergestellt. Das Gedicht trägt den Titel „Christen und Heiden“.

Sprecher:

Menschen gehen zu Gott in ihrer Not

flehen um Hilfe, bitten um Glück und Brot,

um Errettung aus Krankheit, Schuld und Tod.

So tun sie alle, alle, Christen und Heiden

Menschen gehen zu Gott in Seiner Not,

finden ihn arm, geschmäht, ohne Obdach und Brot,

sehen ihn verschlungen von Sünde, Schwachheit und Tod.

Christen stehen bei Gott in Seinem Leiden.

Gott geht zu allen Menschen in ihrer Not,

sättigt den Leib und die Seele mit seinem Brot,

stirbt für Christen und Heiden den Kreuzestod,

und vergibt ihnen beiden. (4)

Autor: Es bleibt nicht beim sinnlosen Leiden, bei unbeachteter Not. Oft genug bring ich selbst nicht die Kraft auf, um bei Leuten zu sein, die meine Hilfe, meine Unterstützung nötig haben. Aber das ist das Geheimnis des heutigen Tages - Gott schenkt mir und allen anderen einen echten neuen Anfang. Heut, am Karsamstag, sehe und bedenke ich die Not dieser Welt, meiner Welt, ich brauch nicht wegzulaufen - denn morgen, morgen feiere ich das Leben.

(1) F. Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, 3. Buch, Nr. 125, in F.N., Werke Bd 2, hg. von K. Schlechta, Darmstadt 1994, S. 126f

(2) ebd. , S. 127

(3) F. Nietzsche, Menschlich, Allzumenschliches, Nr 50 in F.N. Werke, Bd 1, Darmstadt 1994, S. 486

(4) Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, Neuausgabe , München 1970, S. 382

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