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Kirche in WDR 3 | 18.09.2017 | 07:50 Uhr

Der Countdown läuft

An die mehr oder weniger gut gemachten Plakate, die seit Wochen an Laternenpfählen und Bäumen hängen, habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Manchmal frage ich mich: Was macht der Kandidat, was macht die jeweilige Kandidatin eigentlich gerade in diesem Moment? Die letzte Woche vor der Bundestagswahl ist angebrochen – in einer Woche wissen wir, wer das Rennen gemacht hat. Das bedeutet für meine Kandidaten, denen ich in den letzten Wochen teils mehrfach täglich ins Gesicht schauen konnte: Endspurt! Jetzt kommt’s darauf an! Noch einmal alle Kräfte zusammennehmen und durch!

Und zwischendurch bestimmt der Gedanke: Wenn es doch nur mehr Zeit gäbe... Wenn man sich Zeit doch einfach kaufen könnte...

Es gab einmal eine Epoche, da ging das. Da konnte man sich die Zeit wirklich kaufen. Die Frau, die dieses Geschäft betrieb, war Ruth Belville aus London. Sie stieg von 1892 bis 1939 wöchentlich zum königlichen Observatorium in Greenwich bei London hinauf, glich ihren liebevoll nach seinem Hersteller „Arnold“ genannten Präzisions-Chronometer mit der amtlichen Uhr dort ab und machte sich dann auf den Weg kreuz und quer durch London und Umgebung zu ihren Abonnenten, die gegen eine Jahresgebühr von fünf Pfund dann wiederum ihre Uhren abglichen mit dem „Arnold“ von Ruth Belville. Das wiederholte sich Woche für Woche in der Tradition, die einst ihr Vater John 1836 begründet hatte. Im Besitz der präzisen Zeit zu sein, war ein moralischer Anspruch in jener Zeit, in der die Technik rasante, nie für möglich gehaltene Fortschritte machte. Als Frau hatte Ruth Belville es vor allem im viktorianischen England nicht leicht. Und trotzdem widerstand sie auch Anfeindungen in dieser Richtung, die sie in ihrer Position eher stärkten als schwächten. Und so versah sie ihren Dienst auch noch lange, nachdem es Einrichtungen wie das Radio-Zeitzeichen und die Zeitansage über das Telefon gab. Mit 85 Jahren schließlich setzte sich die „Greenwich Time Lady“ 1939 zur Ruhe und verstarb 1943. Ruth Belville verkaufte ein Leben lang die Zeit – und faszinierte die Menschen durch ihr ruhiges, ausgeglichenes und beständiges Wesen. Sie brachte eine menschliche Komponente in die moderne Zeit, die immer präziser werden musste, damit die komplizierten Lebenszusammenhänge überhaupt noch funktionieren konnten. Sie war auch in den unruhigen Zwischen-Kriegs-Zeiten eine Art Fels in der Brandung, ließ sich nicht beirren, auch nicht durch eine immer technisiertere, galoppierende Entwicklung in ihrem Geschäft. Auf sie war Verlass mit der Präzision ihres „Arnold“-Chronometers, der sogar Zehntelsekunden messen konnte.

Zurück zu den Wahlkampfzeiten dieser Tage. Einer, der die Präzision ebenfalls liebt, der von großer Konstanz und Verlässlichkeit geprägt ist, vollendet heute sein 75. Lebensjahr. Wolfgang Schäuble, der dienstälteste Abgeordnete des Deutschen Bundestages in der Geschichte dieses Parlamentes. Es ist gar nicht aufzuzählen, in wie vielen Funktionen er schon der Politik gedient hat – Zuverlässigkeit und Präzision umschreiben wohl am besten sein Handeln, das sicher nicht immer unumstritten war. Seit 1972 sitzt er in der Volksvertretung – und ein Satz des Theologen Dietrich Bonhoeffer prägt sein Denken als evangelischer Christ: „Der Mensch kriegt immer so viel Kraft, wie er braucht, aber erst dann, wenn er sie braucht.“ In dieser Zuversicht hat Schäuble sein Leben auch nach dem Attentat von 1990 gestaltet. Zuverlässig wie die Zeitverkäuferin von Greenwich hat er sich immer wieder in das politische Leben eingemischt. Ich weiß nicht, wie Wolfgang Schäuble reagieren würde, wenn man ihm Zeit zum Kauf anböte. Ich glaube fast, dass er verschmitzt lächelnd ablehnen würde. Denn er hat als Christ die Zeit immer als Geschenk begriffen, als Geschenk Gottes, mit dem man behutsam umzugehen hat. Und sparsam, wie man es von ihm gewohnt ist.

Weil heute Schäubles Geburtstag ist, möchte ich am Beginn dieser Wahlkampfendspurt-woche diesen zitierten Satz von Bonhoeffer noch einmal mitgeben: für die Kandidatinnen und Kandidaten von jeder Parteienfarbe und für Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, die vielleicht in diesen Tagen fragen, ob die Kräfte reichen, für das, was in Ihrem Leben ansteht. Dietrich Bonhoeffer hat dazu gesagt:

„Der Mensch kriegt immer so viel Kraft, wie er braucht, aber erst dann, wenn er sie braucht.“

Kommen Sie gut durch diese Woche! Ihr Pfarrer Ulrich Clancett aus Jüchen.

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