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Kirche in WDR 3 | 27.02.2018 | 07:50 Uhr

"Einer meiner geringsten Brüder..."

Guten Morgen! Seine Gesichtszüge entspannen sich für einen Moment und er lächelt sogar ein wenig, während er mit Stolz in der Stimme zu mir sagt: „Komm, ich zeige dir, wo ich wohne!“ Doch seine Augen sehen dabei traurig aus und sein Gang wirkt müde, als wir gemeinsam über die Wege des alten Waldfriedhofs gehen. Zwischen Grabsteinen und lieblichen Engelfiguren, ewigen Lichtern und einfachen Holzkreuzen lebt er nun schon seit über drei Jahren. Vor einem ehrwürdig aussehenden Mausoleum bleibt er plötzlich stehen. Zwei Schlafsäcke, einer in den anderen gesteckt, ordentlich zusammengerollt, zwei Plastiktüten vom Discounter und ein großes Handtuch, über den Ast eines Baumes gehängt – das ist sein ganzer Besitz.

„Ich mache Platte hier auf dem Friedhof. Nirgends habe ich in der Stadt Ruhe gefunden. Überall jagen sie dich weg: In den Fußgängerzonen und Einkaufspassagen störst du schon, wenn du nur da sitzt. Da kommen direkt die vom Ordnungsamt. Keiner will bei uns noch Armut und Elend sehen, zumindest nicht vor der eigenen Haustür. Aber ich tue doch niemandem was. Ich bin friedlich. Ich bin ja auf dem Friedhof, weil ich meine Ruhe will. Aber sogar hierher kommt die Polizei noch. Es ist verboten, auf dem Friedhof zu schlafen. Das verstößt gegen die Würde des Ortes, sagen sie. Wer denkt denn an meine Würde? Wo kann ich denn sonst noch Ruhe finden, wenn nicht auf dem Friedhof?“

Mein Gott, denke ich. Was ist aus unseren Städten geworden? Städte, in denen Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben, auf dem Friedhof leben müssen und selbst bei den Toten keine Ruhe finden! Ein Leben zwischen Gräbern und Trauerzügen – unsichtbar und beinahe unbemerkt am Rande unserer Gesellschaft. Ich kann mir nur schwer vorstellen, was das bedeutet.

Die Stimme des Mannes wird sanft, als er weitererzählt: „Wir haben hier sogar Haustiere auf dem Friedhof, viele Singvögel, Igel und Eichhörnchen. Ich kenne sie alle mit Namen, denn ich bin ja schon lange hier. Ja, früher, da habe ich auch nie daran gedacht, dass ich einmal auf dem Friedhof landen könnte. Das ist ja eigentlich kein Platz zum Leben. An manchen Tagen haben wir hier fünf, sechs Beerdigungen. Und wenn dann alle weg sind und nur noch die Arbeiter vom Friedhof in der Nähe sind, dann gehe ich manchmal ans offene Grab und spreche ein Gebet.“

Was mag der Mann für eine Lebensgeschichte haben, die ihn hierher gebracht hat, frage ich mich. Und wie will er, wie kann er auf dem Friedhof weiterleben, wenn er einmal krank oder alt geworden ist? Es ist ja jetzt schon unzumutbar im Winter. Und jeden Tag hat er den Tod und das Sterben vor Augen. Da wird er sich sicher auch Gedanken über sein eigenes Lebensende machen.

„So, jetzt hast du gesehen, wie ich lebe“, sagt er laut. „Aber glaub jetzt nicht, dass ich vorhabe, immer so weiter zu leben. Manchmal träume ich davon, in einem ganz normalen Haus zu wohnen, wieder eine Arbeit zu haben und eine Familie und Freunde dazu. Ich würde dann mit meinen eigenen Händen meinen Lebensunterhalt verdienen (wie jeder andere auch). Und meinen Enkeln erzähle ich am Abend dann Geschichten über das, was ich hier auf dem Friedhof erlebt habe. Doch so wie es im Moment aussieht, bleibt das für mich wohl ein Traum – oder?“

Von Jesus wird berichtet, dass er mal gesagt hat: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr für mich getan.“

(Ende WDR 4. Verabschiedung für WDR 3 +5:)

Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, Ihr Pfarrer Michael Opitz aus Düsseldorf.

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