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Kirche in WDR 3 | 02.04.2018 | 07:50 Uhr
Aufstehen, auferstehen
„Wie fröhlich bin ich aufgewacht!“ Naja. Meine Hörerinnen und Hörer, nicht jeder weiß vom Aufstehen ein solches Lied zu singen. Morgens einigermaßen munter aus dem Bett rauskommen – das ist „Aufstehen Numero Eins“. Für viele eine mühsame Prozedur.
„Aufstehen Numero Zwei“ ist nicht an den Morgen gebunden, geschieht dagegen ganztägig, ganzjährig und ist wesentlich anstrengender und anspruchsvoller. Nämlich: Auf die Nase fallen und dann wieder aufstehen und weitergehen! Der Versuchung widerstehen, liegenzubleiben und sich aufzugeben. Nach einer gewissen Schonzeit des Wundenleckens einen neuen Anfang wagen – da, wo meine heile Welt in Scherben gefallen ist oder zumindest schon kräftige Sprünge abbekommen hat. Aufstehen Numero Zwei heißt hier: Aufstand gegen die Resignation, gegen die Ohnmacht, gegen die Erschlaffung und Müdigkeit, gegen alles, was mir die Hoffnung rauben will. Oder um es mit Jesus zu sagen (Lk 7,14): „Junger Mann, ich sage dir: Steh auf!“
„Aufstehen Numero drei“ heißt auch Auferstehung, und es ist schwer, darüber zu reden, weil es außerhalb unserer alltäglichen Erfahrungen liegt. Auferstehen geschieht im Glauben, geschieht nicht nur zur Osterzeit. Auferstehung lässt die Zeit hinter sich, überschreitet sie, ist der Weg ins Ewige. Auferstehen ist höchst anspruchsvoll. Aber mühsam und anstrengend scheint es nicht zu sein: denn es ist nicht unser Werk, unsere Leistung. Es ist Tat Gottes, sein Geschenk und seine Möglichkeit. Er hat Jesus Christus auferweckt von den Toten – als ersten von allen. Diesen Jesus, dessen Leben am Kreuz zu Ende schien.
Von Eins nach Drei ist also eine gewaltige Steigerung. Aufstehen vom Schlaf ist alltäglich und eine Frage der Disziplin. Aufstehen aus der Ohnmacht und Mutlosigkeit ist großartig und eine Frage der Kraft und Hoffnung, die mich trägt. Auferstehen aus dem Tod ist schwindelerregend und jenseits aller Grenzen – selbst jenseits der so endgültig wirkenden Grenze des Todes. Es sprengt das enge Gehäuse meines Denkens und Sprechens und Empfindens. Alltagserfahrung ist nicht alles. Die Auferstehung, so sagt der Schweizer Dichter Kurt Marti, ist „der Aufstand Gottes gegen die Herren – und gegen den Herrn aller Herren: den Tod“. Dieses Wort „Auferstehung“ ist wie eine große Frage. Es stellt in Frage – stellt selbst den Tod in Frage. Aber es gibt auch eine Antwort: dass meine alltägliche Hoffnung begründet und getragen ist; sie ist keine Illusion! Kurz gesagt: Drei trägt Zwei. Auferstehen trägt aufstehen.
Wie das geht, wird in den Ostergeschichten der Bibel erzählt, vielleicht am schönsten von Lukas. Bei ihm finden wir den berühmten Gang nach Emmaus.
Zwei Jünger haben Jerusalem, den Schauplatz des Kreuzes und Todes Jesu, verlassen und sind – ratlos, verstört – unterwegs nach Emmaus. Auf dem Weg kommt der Auferstandene, Christus, hinzu und geht mit ihnen: anonym, unerkannt, als Fremder. Jesus geht auf ihre Not ein, legt ihnen die Heilige Schrift aus und stellt alles, was geschah, in ein neues Licht. Am Ziel In Emmaus angekommen, bitten die Jünger, er solle bleiben und nicht weiterziehen. Jesus, der Gast, wird nun zum Gastgeber und hält Mahl mit ihnen. Als er das Brot bricht, gehen den Jüngern die Augen auf. Daran erkennen sie ihn. Er aber entzieht sich ihren Blicken. Die Jünger brechen wieder auf – mit brennendem Herzen – und laufen nach Jerusalem zurück, um die anderen teilnehmen zu lassen an ihrer Freude und neu entfachten Hoffnung. Der Auferstandene also bewirkt das Aufstehen und Aufbrechen der Jünger – und vielleicht auch alles, was sich heute bei uns abspielen mag!
Aus Lüdenscheid grüßt Sie Pastor Johannes Broxtermann