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Kirche in WDR 3 | 04.04.2018 | 07:50 Uhr
Wo liegt Emmaus?
Guten Morgen!
Niemand weiß genau, wo Emmaus liegt – dieses Ziel eines Weges, auf dem zwei Jünger vor dem Tod Jesu fliehen. Die Gelehrten streiten sich darüber. Wo war dieses Dorf? Dafür wird uns aber die Länge des Weges exakt mitgeteilt: Sechzig Stadien. Zwölf Kilometer.
Es mag ein Zufall sein, aber Zwölf-Kilometer-Wege sind mir sehr vertraut. Diese Emmaus-Strecke trennt z.B. meinen Heimatort von der Stadt, wo ich studiert habe. Auch meine letzten beiden Pastorenstellen lagen so weit auseinander. Wie oft bin ich in meinem Leben diese verschiedenen sechzig Stadien gefahren! Vielleicht geht es Ihnen ähnlich. Wenn Sie morgens zur Arbeit müssen, haben Sie womöglich auch 10, 12, 15 Kilometer vor der Brust: jeden Morgen eine „Emmausfahrt“, manchmal eine „Himmelfahrt“ mit Staus und Ungeduld. Und dann geht die Stimmung schon frühmorgens in den Keller, und auch die Morgenandacht im WDR kann Sie aus diesem Tief nicht wieder herausholen! Ein wenig geht es Ihnen dann wie den beiden Jüngern, wiewohl deren Gefühlslage noch viel dramatischer war: abgrundtief hoffnungslos, verzweifelt, ohne Aussicht. In einer Übersetzung dieser Stelle fand ich das Wort „verdrossen“. Es klingt fast zu schwach, aber es bildet eine Brücke zu uns heute. Verdrossenheit, Verstimmung – ja, das könnte die Hypothek sein, mit der wir so manchen Tag beginnen. Ein Gebräu aus nicht verwundenen Kränkungen, Überforderung, Lustlosigkeit („jeden Tag dasselbe!“), schwelenden Konflikten, Sinnlosigkeit („War´s das? Ist das alles im Leben?“)
Lässt sich diese Verdrossenheit überwinden? Auf dem Weg nach Emmaus braucht man offensichtlich Gesprächspartner, mit denen man sich frei-sprechen kann. Die sind aber nicht immer zur Stelle und im Übrigen auch gar nicht leicht zu finden…
Mein Vorschlag ist ein anderer. Ich versuche dann zu beten. Ja, auch im Auto, auf der Fahrt zur Arbeit, bei allen Stadien der Verdrossenheit. Ich traue dem Beten zu, dass es die Situation verändert. Gott geht mit, sagt die Emmausgeschichte. Sie erzählt ja, wie Jesus unerkannt die beiden Jünger begleitet. Und beten könnte heißen: abgeben, loslassen, auch Dampf ablassen – könnte heißen: Widriges, Negatives in einem anderen Licht sehen, mit offenen Augen, die nicht mehr wie „zugehalten“ sind.
Ein Gebet kann das auslösen, was der Wanderer auf dem Weg damals bewirkt hat. Er hat nicht zu den Jüngern gesagt: „Kommt, denkt an was anderes. Lenkt euch ab. Geht zur Tagesordnung über.“ Er hat für die traurigen Wegstrecken kein Opium gereicht und keine Narkose. Vielmehr kommt in der Gestalt des Fremden – und heutzutage im Gebet – dies zum Ausdruck: Denkt noch mal dasselbe, aber in einer anderen Sicht. Arbeitet eure Trauer, euren Frust, eure Verstimmtheit durch, geht der Sache auf den Grund. Aber bleibt nicht beim selbstquälerischen Grübeln stehen, bei Vorwürfen und Schuldzuweisungen. Der Fremde damals führt mit seinen Fragen „Was ist denn passiert?“ und „Musste das nicht alles geschehen?“ die Jünger dahin, dass sie verstehen. „Musste nicht der Christus durch das Kreuz hindurch, ehe er sein neues Leben beginnen kann?“ Die Wunden sind nicht überklebt, das Sterben ist nicht weggelogen, aber der Sinn für das neue Leben ist geweckt. Wer von einem Konflikt belastet ist, der mag dafür beten, dass er bereit wird zur Versöhnung. Das ist eine Weise des neuen Lebens. Dankbarkeit ist eine andere. Wer immer auf seine Leistung pocht und alles Gute für selbstverständlich nimmt, dem mag neu aufgehen, wie vieles doch Geschenk ist. So kann alles in ein anderes Licht rücken.
Niemand weiß genau, wo Emmaus liegt. Ich möchte den heutigen Tag als meine Emmaus-Strecke nehmen. Am Abend werde ich wissen, wo sich mein Emmaus von heute befindet.
Es grüßt Sie Ihr Pastor Johannes Broxtermann aus Lüdenscheid.
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