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Kirche in WDR 3 | 07.04.2018 | 07:50 Uhr
Zurück zu den anderen
„Geh in dich!“ „Da war ich schon. Da ist auch nichts los!“ –
So mager muss der Ertrag nicht sein, liebe Hörerinnen und Hörer! Es lohnt jedenfalls alle Mühe, „in sich zu gehen“. Nicht zerknirscht, sondern wie auf einer Entdeckungsreise. Selbsterfahrung – das ist ein lohnendes Ziel und eine Grundlage vieler spiritueller Bewegungen heute. Manche spüren es: Wer so unterwegs ist zu sich selber, kann dabei auch etwas von Gott erfahren. Selbsterfahrung, Gotteserfahrung: Das Interesse und der Markt dafür sind da, Methoden und Techniken sind entwickelt, Angebot und Nachfrage boomen – im Schnellkurs oder in langdauernder intensiver Bemühung.
Von den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus aus dem Lukasevangelium kann man das auch sagen. Unterwegs, auf der Straße, und schließlich im Haus erkennen sie den auferstandenen Christus, der mit ihnen geht, mit ihnen spricht, schließlich mit ihnen isst. „Brannte da nicht unser Herz?“, so spüren und fragen sie. Da hatten sie sich todtraurig auf den Rückzug gemacht. Nur weg von Jerusalem! Nur weg von dieser furchtbaren Kreuzigung! Abschalten! Abstand gewinnen! Vergessen! Und dann – diese Wende! Das „brennende Herz“! Das kann man nicht so einfach „machen“. Der Schalter lässt sich nicht so einfach umlegen. Die Wende geschieht – wie ein Geschenk. Solche Begegnungen lassen sich nicht „produzieren“ oder herbeizwingen.
Wie geht die Geschichte weiter, da – mitten in der Nacht? Man darf vermuten: Die Jünger sind müde. Der Weg von 12 Kilometern zwischen Jerusalem und Emmaus ist kein Pappenstiel, und „brennende Herzen“ verhindern nicht den Muskelkater oder Blasen an den Füßen. Ich könnte die Jünger schon verstehen, wenn sie sich jetzt zu nächtlicher Stunde glücklich im Sessel zurücklehnten und sich gegenseitig bestärkten: „Da haben wir wirklich eine wunderbare geistliche Erfahrung gemacht!“
Aber nein – so endet die Geschichte nicht. „Noch in derselben Stunde“, so heißt es, „brachen sie auf und kehrten nach Jerusalem zurück.“ Sofort. Mitten in der Nacht. Trotz aller Müdigkeit. Sie wollen hin zu den anderen. Sie wollen erzählen… Also: Langer Rückweg, wieder 12 Kilometer, mitten in der Nacht, ich stelle mir vor: fast im Dauerlauf. Was den Jüngern Beine machte, war sicher nicht die Sensationslust („Haltet euch fest, wir haben hier Neuigkeiten, das glaubt ihr nie“), sondern Sinn für die anderen. Gute Erfahrungen macht man nicht nur für sich!
Im Glauben gibt es kein Single-Dasein, schreibt mir ein Freund. Deshalb haben sich die beiden Emmaus-Jünger nicht genüsslich zurückgelehnt („Ach, wie tut das unserer Seele gut!“), sondern machten sich sofort auf den Weg zu den anderen. Glaube braucht Gemeinschaft. Und so entsteht Kirche: Menschen sind von der Lebendigkeit und Wahrheit der Person Jesus Christus so durchdrungen, dass sie es wagen, ihren Glauben anderen mitzuteilen – ja, mit ihnen zu teilen…
Erstaunlich: Die Freunde in Jerusalem stimmen gleich zu. Sie berichten von ähnlichen österlichen Erfahrungen. Auch in ihnen lebt der Geist des Auferstandenen!
Und so geht Kirche weiter – als Austausch von Erfahrung, als Glaubens-Gespräch. Jeder kann etwas einbringen. Jeder kann sich auf seine Weise beteiligen, auch mit hunderten Fragen und Zweifeln. Wer an diesem „Netz des Gespräches“ mitknüpft, hilft der Kirche aus ihrer Erstarrung und der Gefahr endloser Monologe heraus. Ja, Kirche heißt Gespräch. Jeder, der will, kann Partner sein im Dialog. Einer kann dem anderen auf der Suche nach Gott weiterhelfen. Diese Suche – daran hält der christliche Glaube energisch fest – geht nicht ohne den anderen, ohne den Nächsten.
„Ich suchte Gott und fand ihn nicht.
Ich suchte meine Seele und fand sie nicht.
Ich suchte meinen Nächsten und fand alle drei.“
Es grüßt Sie Pastor Johannes Broxtermann aus Lüdenscheid