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Kirche in WDR 3 | 19.04.2018 | 07:50 Uhr

Letzte Worte

In meiner Familie pflegte ich einen Brauch. Immer, wenn ich in Urlaub fuhr, rief ich einmal in der Woche meine Mutter an. Ich spürte am Telefon, wie sie sich freute, mich zu hören. Es waren kurze Gespräche, weil noch der Gebührenzähler tickte. Damals ging es meiner Mutter gesundheitlich gut, sie litt auch nicht an Einsamkeit, so dass ich mit einer banalen Frage in das Gespräch einstieg. „Wie geht es dir?“ „Ach, gut.“ Sofort angehangen wurde das Wetter. „Wie ist es in Aachen?“ „Hier regnet es Bindfäden!“ „Bei uns scheint ununterbrochen die Sonne. Es ist schrecklich heiß!“ Falls nichts Außergewöhnliches passiert war, hingen wir dann ein. „Bis nächste Woche.“ „Weiter ein paar schöne Tage.“

Wir hatten miteinander gesprochen. Es reichte, die Stimme des anderen gehört zu haben. Früher als es keine Handys gab, war es manchmal kompliziert, eine Telefonzelle zu finden. Lange lief ich einst durch Florenz. Nachdem ich das rote Häuschen gefunden hatte, rätselte ich über die italienische Gebrauchsanleitung. Als es mir gelungen war, die ersten Lire in den Automaten einzuwerfen, tat sich nichts. Das Display verriet, dass das Gerät außer Funktion sei. Die Vorbereitung eines Telefonates nach Deutschland dauerte Tage. Jede funktionstüchtige Telefonzelle war wie ein kleiner Sieg, und es befriedigte mich, es geschafft zu haben. Ich hörte die Stimme meiner Mutter, sie hörte mich. Dafür reichten wenige Sätze, die sich in jeder Woche wiederholten. Seitdem ich mit Handy reiste, war es plötzlich möglich, an jedem Ort und zu jeder Zeit die Nummer meiner Mutter zu wählen und wie von selbst verbunden zu werden. Ich brauchte nur ein starkes Netz, alles andere übernahm die Technik. Trotzdem haben wir während meiner Urlaube nicht häufiger miteinander gesprochen, aber das Gefühl jederzeit sprechen zu können, befreite mich von dem Druck, funktionierende Telefonzellen zu suchen.

Seit einigen Jahren telefonieren wir nicht mehr. Heute weiß meine Mutter nicht mehr, was ein Telefonapparat ist. An einem Sommertag verabschiedete ich mich von ihr, um in Urlaub zu fahren. Ich sagte nur, telefonieren tun wir jetzt nicht mehr. Ob sie genickt hat, habe ich nicht gesehen.

Unterwegs nahm ich oft mein Handy in die Hand und wartete. Ich wartete auf ihren Anruf. Kein Tonsignal, kein Vibrieren, das Handy blieb still. Durch das Schweigen des Handys bemerkte ich, was mir ihre vertraute Stimme bedeutet hat. Wenige Worte genügen, um den Menschen dahinter zu erkennen. Ich höre an seiner Stimme, wie er aufgelegt ist und ob ihm etwas fehlt. Hören scheint fast wichtiger als sehen zu sein. Meine Mutter hat das Sprechen aufgegeben. Ich vermisse weit mehr als die Wetterprognose, die nur ihre Stimme so sagen konnte. Ihr Leben findet kein Wort mehr. Sterben ist wortlos werden, und es geschieht mitten im Leben. Meine Mutter hat vor Jahren irgendwann ihr letztes Wort gesprochen, ohne dass ich es behalten habe. Worte sind so wichtig, dass selbst Gott als das ewige Wort beschrieben wird.

Gute Worte für heute wünscht Ihnen Pfarrer Albert Damblon aus Mönchengladbach.

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