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Kirche in WDR 3 | 16.06.2018 | 07:50 Uhr
Fahr vorsichtig!
Guten Morgen!
Mein Sohn macht gerade den Führerschein – und im nächsten Jahr Abitur. Vermutlich deshalb musste ich schlucken, als ich ein altes Plakat entdeckte. Es zeigt einen zerstörten Kleinwagen von hinten, auf der zertrümmerten Heckscheibe kann man noch entziffern: ABI 2008. Das Bild macht mir Angst! Ich sehe in Gedanken meinen Sohn in dem Auto.
Ob und wie die Insassen dieses Fahrzeugs damals den Unfall überlebt hatten, sagt das Plakat nicht. Mit dem Auto sind anscheinend junge Menschen verunglückt, die vermutlich dasselbe Lebensgefühl hatten wie mein Sohn nächstes Jahr: Die Schule ist geschafft, das richtige Leben wartet: voller Pläne, Hoffnungen und Träume. Und plötzlich ist alles anders: Pläne zunichte, Hoffnungen begraben, Träume zerplatzt.
Im letzten Jahr starben auf den Straßen in NRW 484 Menschen, 60 davon waren zwischen 18 und 24 Jahre alt.
Heute findet in Deutschland der Tag der Verkehrssicherheit statt. Zahlreiche Organisationen und Initiativen wollen dazu beitragen, dass weniger Lebensträume auf der Straße platzen. Dabei sind nicht nur junge Fahrer und Fahrerinnen im Blick. Menschen aller Altersgruppen werden Opfer von Verkehrsunfällen: zu Fuß, auf dem Fahrrad oder E-Bike, mit Motorrad, Auto oder auch Rollator. Dabei unterstelle ich mal, dass alle dasselbe wollen: sicher ankommen. Dennoch sind es in aller Regel menschliche Fehler, die zu Unfällen führen. Denn Unfälle passieren nicht, sie werden verursacht. Das heißt, wir Verkehrsteilnehmer und -teilnehmerinnen sind verantwortlich dafür, was auf der Straße geschieht.
Gelegentlich sehe ich einen Autoaufkleber, da steht drauf: „Fahre nicht schneller, als dein Schutzengel fliegen kann.“ In diesem lockeren Spruch stecken für mich zwei sehr ernsthafte Gedanken:
Zum einen: Es gibt für mich einen Schutzengel. Jemanden, der auf mich achtet. Für mich ist ein Engel ein Bote Gottes. Und mein persönlicher Schutzengel bringt mir die Botschaft: Gott kennt mich, er sieht mich, und er will, dass ich lebe. In einem alten Psalmengebet heißt es: Gott „befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen“. (Ps 91,11) Darauf vertraue ich, wenn ich aus dem Haus gehe und mich in den Verkehr stürze.
Zum anderen die Aufforderung: „Fahre nicht schneller … als dein Schutzengel fliegen kann.“ Das lese ich als Appell an meine Verantwortung. Die nimmt mir mein Schutzengel nämlich nicht ab. Ja, ich glaube, dass Gott immer mit mir unterwegs ist und auf mich achtet. Nur ist das nicht die Lizenz dafür, mich selbst oder Andere zu gefährden. Gott hat mich nämlich auch beauftragt, für mich und meine Mitmenschen zu sorgen und auf sie zu achten, auch im Straßenverkehr. Das bedeutet, innerlich „Stopp!“ zu sagen, wenn ich bei mir Gedanken bemerke wie: „No risk, no fun.“ Oder: „Das bisschen Alkohol – ich merke überhaupt nichts.“ Oder: „Dem zeig ich‘s aber, wer’s besser kann.“ Oder: „Die Anderen sollen gefälligst aufpassen.“ Und als Christ würde ich noch sagen: Jeder andere Mensch ist genauso wichtig wie ich, und jeder Mensch hat dasselbe Recht wie ich, sicher ans Ziel zu kommen.
Wichtig aber ist: Auch wenn ich darauf vertraue dass mein Schutzengel bei mir ist, bleibe ich trotzdem verwundbar. Ich gehe und fahre zwar unter Gottes Schutz, bekomme aber keine Garantie für eine glückliche Ankunft. Ich besitze wohl die Garantie, niemals allein unterwegs zu sein.
Übrigens: In manchen Autos klebt eine Christophorusplakette – ein anderes Bild für einen Schutzengel. Der heilige Christophorus gilt als der Schutzpatron der Autofahrer und -fahrerinnen. Ich finde das ein schönes Zeichen. Wenn ich das Bild sehe, mache ich mir klar: Ich bin behütet. Und: Mein Leben und das der Anderen ist zerbrechlich und kostbar. Deshalb bin ich vorsichtig.
Liebe Hörerinnen und Hörer, seien Sie gut behütet. Fahren Sie bitte vorsichtig! Immer! Das wünscht Ihnen
Pastoralreferent Martin Dautzenberg aus Essen