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Kirche in WDR 3 | 29.06.2018 | 07:50 Uhr
Hochfest Peter und Paul
Guten Morgen. Wer einmal mal bei mir hier in Jüchen die Kirche besucht und dann wieder rausgeht, findet über dem Hauptportal von St. Jakobus ein bemerkenswertes Fenster aus dem Jahr 1912. Da steht unter der symbolischen Bebilderung folgender Text aus der Bibel: „Du bist Petrus und auf diesem Felsen will ich meine Kirche bauen.“
Die Bildsprache ist zunächst klar: Auf den ersten Blick steht sie fest auf dem von der Brandung umtosten Felsen: die Kirche. Aber schon bald schleicht sich beim Betrachter eine Unsicherheit ein: Der Regenbogen – gehört der nicht zu einer ganz anderen Geschichte in der Bibel? - Richtig: Noah sieht den Regenbogen, nachdem er mit der Arche nach der Sintflut auf dem Berg Ararat gelandet ist. Die todbringenden Wassermassen gehen langsam zurück, und Gott selbst zeigt Noah den Regenbogen als Zeichen seines Bundes mit den Menschen. Und so wandelt sich in dem Kirchenfenster von Jüchen die stolze Kirche in die Arche, die Noah und den Seinen das Leben rettete. Über dem Regenbogen erstreckt sich im Fenster ein funkelnder Sternenhimmel – Hinweis auf eine Zusage Gottes an Abraham: Seine Nachkommen sollten so zahlreich sein wie die Sterne am Himmel. Das Fenster ist also ein faszinierender Brückenschlag zwischen dem Alten und dem Neuen Testament der Heiligen Schrift. Heute, am christlichen Hochfest der Apostel Petrus und Paulus, wird wieder genau diese Stelle aus dem Matthäus-Evangelium in den Kirchen vorgelesen, die Petrus als den Felsen bezeichnet, auf dem Jesus seine Kirche bauen will. Das Jüchener Fenster vereinigt auf faszinierende Weise die alten Bundeszusagen Gottes mit der Gründung eines neuen Bundes. Dieser gründet sich in Jesus Christus. Aber er bleibt nicht auf ihn exklusiv beschränkt: Jesus findet in Petrus den Felsen, den sicheren Grund, auf den er aufbauen kann. Und dabei ist dieser Petrus durchaus alles andere als ein Musterschüler. Erinnert sei nur an seine finsterste Stunde, in der er kurz vor der Kreuzigung beim Hahnenschrei am Morgen seinen Freund und Weggefährten Jesus gleich dreimal verleugnet. Petrus ist eine ambivalente Figur: Er wird von den Christen bis heute als „Apostelfürst“ verehrt. Und zugleich ist er ein Mensch mit Fehlern und Schwächen, einer wie du und ich. Das macht die Glasmalerei noch ein Stückchen faszinierender: Immer wieder hat Gott auf Menschen wie dich und mich gesetzt. Sein Weg war nie der konventionelle. Die Menschen, mit denen er auf besondere Weise in Kontakt trat, hatten bis dahin stets die Höhen und Tiefen des Lebens durchgemacht: Abraham, der seine Heimat verlassen musste, Noah, der die Katastrophe der Sintflut durchlebte und schließlich Petrus, der Fischer vom See Genezareth, der Jesus alleine lässt. Gott baut auf diese Menschen, er lässt ihnen die Freiheit, auch Fehler zu begehen. Er engt mit seiner Gnade nicht ein, er weist denen, die mit ihm zu tun haben möchten, den Weg zur Freiheit. Das hat er immer wieder getan, wie es das Fenster dokumentiert. Und ich bin überzeugt davon, dass er es auch heute immer wieder aufs Neue tut.
Ich wünsche ihnen einen Tag der offenen Herzen. Vielleich umarmen sie ja in diesem Sinne auch einfach gleich spontan einmal einen wildfremden Menschen – denn den Tag der Umarmung begehen wir heute auch. Ihr Ulrich Clancett aus Jüchen.