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Kirche in WDR 3 | 09.08.2018 | 07:50 Uhr

Die Waage

Als ein alter Freund seine Wohnung auflöste, um ins Pflegeheim zu ziehen, habe ich seine Briefwaage geerbt. Natürlich gibt es in meinem Haushalt eine digitale Waage. Aber ich liebe es, meine Briefe auf den Teller der alten Waage zu legen. Da wird nicht nur irgendeine Zahl angezeigt. Jedes Wiegen wird zu einem kleinen Ritual. Da senkt sich langsam schwankend der Brief auf der einen Seite, während der Zeiger auf der anderen Seite hochgedrückt wird. Und so lese ich auf der altmodischen Emailskala das Gewicht ab.

Eine Waage ist fester Teil der religiösen Symbolsprache. In unzähligen mittelalterlichen Kirchen gibt es Abbildungen, wie der Erzengel Michael mit einer großen Waage in der Hand die Seelen der Verstorbenen wiegt. Unzählige Kirchenportale sind mit der Seelenwägung geschmückt und mahnen alle, die den Kirchenraum betreten, dass auch sie einmal gewogen werden. Im Mittelalter war das für die Menschen eine Mahnung an ihre eigene Zukunft, heute hat es mehr einen kunstgeschichtlichen Wert.

Das Bild der Seelenwägung macht Unsichtbares sichtbar: Unsere Taten vergehen nicht, sie haben ein Gewicht – und sie werden „gegengewogen“ gegen den Maßstab der Gerechtigkeit. Diese Bildsprache der Seelenwägung findet sich übrigens schon im Alten Ägypten. Schon zur Pharaonenzeit gibt es Darstellungen, in denen die Taten des Menschen am Ende des Lebens gewogen werden.

Auch in der Bibel kommt die Waage vor, aber gar nicht so „fromm“, wie man denkt. Ganz unvermittelt taucht sie auf in einer Liste von Geboten im Buch Levitikus. Aber, und das machte mich stutzig, als ich darin las: In der Bibel ist eine Waage eine Waage. Ein Alltagsgegenstand. Und das Gebot, in dem die Waage vorkommt, lautet wie folgt: „Gerechte Waage und gerechte Gewichtssteine sollt ihr haben. Ich bin der HERR, euer Gott.“ (Lev 19,36).

Nun ja, auch hier geht es um Gerechtigkeit – aber nicht ums Gericht. Es geht um den alltäglichen Gebrauch der Waage beim Handeln. Dort werden Waagen gebraucht um den Kaufpreis in Silber oder Gold abzuwiegen.

Statt große Worte zu verlieren, geht es an dieser Stelle der Bibel ganz konkret darum, dass Waage und Gewichte nicht gefälscht sind.

Den Hang zum Mogeln, sich einen Vorteil zu verschaffen, den haben die Autoren im Blick - sehr konkret und mit großer Menschenkenntnis.

Auf den ersten Blick ganz eigentümlich erscheint die Zusammenstellung des Gebotes: „Gerechte Waagen sollt ihr haben – ich bin der HERR.“ Die ganz kleine Dimension des Alltags wird mit der wuchtigen Selbstvorstellung Gottes zusammengebracht. Und gerade darum geht es.

Das Besondere des Gottes der Bibel ist, dass er beides zusammenbringt: Die großen Worte und das Alltagshandeln. Genau das finde ich spannend. Gerechtigkeit bedeutet hier nicht das Schielen auf ein Gewogenwerden beim Jüngsten Gericht, sondern verpflichtet mein Handeln konkret darauf, mit gerechtem Maßstab zu wiegen. Die Maßstäbe, die für mich selber gelten, sollen auch die Maßstäbe für die anderen sein.

Interessant ist, dass dieses Gebot im Buch Levitikus direkt neben dem Gebot der Nächstenliebe steht. Das ist kein Zufall. Von daher bekommt Nächstenliebe noch einmal ganz konkretes Gewicht. Nächstenliebe in der Bibel heißt: gerecht sein, keinen Unterschied zu machen zwischen dem, was man für sich selbst abwiegt und für die anderen. Wie oft ertappe ich mich dabei, andere Menschen strenger zu beurteilen als mich selber...

„Gerechte Waage und gerechte Gewichtssteine sollt ihr haben. Ich bin der HERR, euer Gott.“ (Lev 19,36).

Das in Alltag zu übersetzen, ist nicht leicht. Bei der gerechten Waage und den gerechten Gewichten geht es um internationale Wirtschaftssysteme, um Aktien und Schuldenrecht, aber auch darum, wie ich mich selbst in meinem Alltag verhalte, ob ich auf meine Maßstäbe achte.

Die Waage neben meinem Schreibtisch erinnert mich daran, meine Maßstäbe niemals außer Acht zu lassen. Einen guten Tag wünscht Egbert Ballhorn aus Dortmund.

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