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Kirche in WDR 3 | 11.08.2018 | 07:50 Uhr

Heilig sein

Einmal war ich mit jüdischen Freunden zusammen, und das Gespräch kam auf das tägliche Gebet. Fromme Juden legen beim Gebet Tefillin an, Gebetsriemen mit einer kleinen Kapsel, in die ein Pergamentstreifen mit den wichtigsten Bibelstellen eingelegt ist. Soll ich sie einmal holen? fragte Josef, und er brachte seine kleine Stofftasche, in der er seine Tefillin aufbewahrt. Er zeigte sie uns bereitwillig, wollte aber nicht so gern, dass wir sie anfassen.

Mich hat beides beeindruckt: die Offenheit, mit der er seine eigene Gebetspraxis herzeigt. Und auch das Zurückweichen. Die Gebetsriemen sind ein besonderer Gegenstand, den er nicht gern einfach so aus der Hand gibt. Sie sind ihm heilig. Ich habe noch länger darüber nachgedacht und fand es als Bibelwissenschaftler zunehmend spannend, dass seine Reaktion typisch ist für das Heilige ist im biblischen Zusammenhang. Weil für Josef die Gebetsriemen etwas Besonderes sind, etwas Heiliges, das man nur zum Gebet anfasst. Die Gebetsriemen sind aus den Alltagsgegenständen herausgenommen. Heiligkeit bedeutet eine Trennung: Von „Normalwelt“ und „ganz anderer Welt“. Hier hat das Heilige etwas mit Raum zu tun, nicht mit Moral.

Nach unserem Alltagsgefühl ist Heiligkeit erst einmal eine moralische Sache.

Unter so einem Vorzeichen wirken bestimmte Sätze der jüdischen Bibel gleich doppelt schwer und sind enorm aufgeladen. So steht im Buch Levitikus folgende Formulierung:

„Der HERR sprach zu Mose: Rede zur ganzen Gemeinde der Israeliten und sag zu ihnen: Heilige seid ihr – denn: ich, der HERR, euer Gott bin heilig“ (Lev 19,1-2). Wenn ich hier gleich an die klassischen Heiligen denke, an Nikolaus oder an Mutter Teresa – dann führt das zu sehr steilen Vorstellungen. Und ich frage mich: Wenn wir unter dem Aspekt alle Heilige sein sollen – wer kann dann noch bestehen?

Was stellt die Bibel sich also unter Heiligkeit vor? Die Bibel bringt Heiligkeit mit einer Geschichte zusammen: Die Erzählung vom Auszug aus Ägypten. Auch hier geht es um Raum, um eine räumliche Trennung. Israel wird aus Ägypten herausgeholt.

Herausgeführt aus Ägypten, das ist die Urerfahrung Israels. Der Aufenthalt Israels in Ägypten hieß: Unterdrückung, Sklaverei.

Die Bibel schildert, wie Gott das Volk Israel unter großen Wundern und unter Führung durch Mose aus Ägypten befreit hat. Heiligkeit hat in diesem Sinne konkret etwas mit einer Bewegung von A nach B zu tun. Ägypten steht nicht für ein bestimmtes Land im Alten Orient, sondern für ein System. Das Recht des Stärkeren regiert. Und daraus hat Gott sein Volk befreit. „Ich habe euch aus Ägypten herausgeführt“ und „ihr seid heilig“ (vgl. Lev 22,32-33) – das gehört in der Perspektive Gottes zusammen.

„Ihr seid nicht Ägypten. Dieses Recht des Stärkeren soll für euch nicht mehr gelten. Ab jetzt lebt ihr im Raum der Freiheit. Niemand versklavt euch. Ab jetzt gilt Solidarität, und es gibt ein Recht für die Schwachen“ – so lautet die neue Lebensform. „Ihr wart dort selbst wehrlos und schutzlos, hier seid ihr jetzt sensibel für die Schutzlosen“.

Heilig sein, das heißt, auf bestimmte Weise ausgesondert sein von einem System. Gott ist heilig, weil er gerade nicht Bestandteil unserer Welt ist, weil er gerade nicht nach den Regeln der Machthaber regiert. Wenn er seinem Volk sagt „auch ihr seid heilig“, dann ist das eine Entlastung und zugleich eine Aufgabe. Ihr müsst nicht nach der Pfeife der Mächtigen tanzen. Die Regeln der Unterdrückung gelten nicht für euch. Ihr könnt in einem Bereich leben, der nicht so funktioniert wie der Rest der Welt. Traut euch, das im Alltag durchzuhalten. Schafft Euch Räume dafür. Schafft Euch Riten, Zeichen und Zeiten, die Euch daran erinnern. Denn nicht alles unterliegt dem Zugriff der Allerweltssystematik.

Das braucht Mut und Widerstandskraft, aber es macht auch stolz, denn es schenkt einen aufrechten Gang. Wer sagt denn, dass ich die Spielchen der anderen mitspielen muss? Ich lebe schon ein einer anderen Welt, und da gelten neue Regeln. Ich lasse mich nicht unterdrücken und will auch selbst andere Menschen nicht klein machen.

Es ist doch schön, mit diesen Worten in den Tag geschickt zu werden: „Ihr seid heilig. Du bist heilig“. Einen guten Samstag wünscht Ihnen Egbert Ballhorn aus Dortmund, oder wie mein jüdischer Freund Josef sagen würde: Shabbat Shalom.

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