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Choralandacht | 11.05.2019 | 07:50 Uhr
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Der Herr ist mein getreuer Hirt (eg 612)
Autorin: „Jede
Familie hat eins“ – stand auf einer Karte. Die hatte ich zu meinem 30.
Geburtstag bekommen. Über diesem Satz waren lauter Schafe gezeichnet. Auf den
ersten Blick lauter weiße – auf einer schönen grünen Wiese mit weiß-gelben
Gänseblümchen. Doch
mitten in dieser
Herde weißer Schafe stach ein schwarzes Schaf raus. „Jede Familie hat eins“.
Und damit war wohl ich gemeint – denn ich habe nicht immer das getan, was der
Rest der Familie von mir erwartet hat. Vor allem nicht meine Eltern.
Mach Dir nichts draus –
war die Botschaft hinter diesem Satz. Nimm es einfach hin. Sei stolz darauf,
anders zu sein als die anderen Schafe.
Und als ich die Karte umdrehte, traute ich erst meinen Augen nicht. Meine Freundin hatte mit Tinte den 23. Psalm auf die Rückseite als Gruß und Motto für das neue Lebensjahrzehnt draufgeschrieben:
Er beginnt mit: „Der Herr ist mein Hirte“ und gehört wohl zu
den bekanntesten Texten aus der Bibel.
Sprecher:
Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue und führt mich zum frischen Wasser.
Er erquickt meine Seele. Er führt mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbst mein Haupt mit Öl und schenkst mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.
Autorin: Und
natürlich ist dieser Text von vielen Liederdichtern und Komponisten umgesetzt
worden.
Musik 1: Track 2, 1. Strophe: „Der Herr ist mein getreuer Hirt“ von CD WDR-Kompilation,Interpreten: Bach-Chor Leverkusen, Leitung: Christoph Schoener , T.u.M.: Cornelius Becker, Heinrich Schütz, Verlag: Bärenreiter, Eigenproduktion (LC-Nr.: WDRLC)
Choral 1. Strophe: Der Herr ist mein getreuer Hirt,
dem ich mich ganz vertraue; zur Weid er mich, sein Schäflein führt, auf
schöner, grüner Aue. Zum frischen Wasser leit er mich, mein Seel zu laben
kräftiglich durchs selig Wort der Gnaden
Autorin: Als ich den Psalm las, bekam die Vorderseite eine ganz andere Bedeutung. Natürlich bin ich stolz darauf, meinen eigenen Weg zu gehen. Dadurch mache ich mich manchmal unbeliebt und unbequem. Aber das ist nicht schlimm, das ist nicht wichtig. Denn Gott, der Herr ist mein Hirte und sorgt für mich. Für mich als schwarzes Schaf genauso wie auch für die weißen, angepassten und normalen Schafe.
Es ist also nicht
wichtig,
dass ich anders bin als andere,
sondern dass Gott auch für mich sorgt.
Also hören wir uns den Anfang von Psalm 23 einer moderneren
Übersetzung an:
(Neues Leben, Psalm 23,
1 und 2)
Sprecher:
Der HERR ist mein Hirte, ich habe alles, was ich
brauche.
Er lässt mich in grünen Tälern ausruhen,
er führt mich zum frischen Wasser.
Er gibt mir Kraft.
Autorin: Dieses
poetische Lied aus dem Alten Testament vergleicht Gott mit einem fürsorglichen
Hirten. Er sorgt dafür, dass die Herde alles hat, was sie braucht. Das sind
frisches Wasser und grüne Täler mit saftigem Gras. Es ist ein Bild für das, was
nicht nur Schafe brauchen, sondern auch wir Menschen. Nahrung, gute
Beziehungen, Ausruhen und was sonst für das Leben wichtig ist.
Bemerken wir das? Dass wir
alles haben, was wir brauchen? Oder geht das in der Hektik und dem Getriebe des
Alltags und den vielen Terminen unter? Psychologen sagen, dass der Mensch eine
Stunde am Tag nur für sich haben sollte, um psychisch gesund zu bleiben. Haben
Sie die? Ich nicht. Aber vielleicht sollte ich sie mir nehmen, oder eine halbe
Stunde, um zur Ruhe zu kommen. Und dabei auch das grüne Tal zu erkennen, in dem
ich alles, was ich brauche, bekomme.
Musik 2 (=
Musik 1) 2. Strophe
Sprecher (overvoice):
Er führet mich auf
rechter Bahn von seines Namens wegen; obgleich viel Trübsal geht heran auf
todesfinstern Stegen, so grauet mir doch nicht dafür, mein treuer Hirt ist
stets bei mir, sein Steck’n und Stab mich trösten.
Autorin: Lassen
Sie uns auch hier wieder eine andere Version des Psalms 23 hören (Luther 84,
Psalm 23, Verse 3 und 4).
Sprecher:
Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
fürchte ich kein Unglück; denn
du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.
Autorin: Ist das nicht schön? Gott leitet mich
auf meinem Lebensweg. Er treibt mich nicht, er leitet. Das ist eigentlich voll
gegen den Trend, wo ich in den sozialen Medien sofort auf jeden Post reagieren
muss, mir mein Smartphone entweder mit Blinken oder Signalton die neueste
Nachricht meldet und Menschen angeblich nur zum Ziel kommen, wenn sie schneller
sind als andere. Gott führt mich auf meinem Lebensweg, er treibt nicht. Und
zwar um seines Namens willen. Dass Gott mich führt, liegt nicht an mir. Sondern
er hat es in der Bibel versprochen, bei den Menschen zu sein alle Tage bis an
der Welt Ende, wie es heißt.
Musik 3: Track
13, CD2 „Jesus Christus,
unser Heiland, der den Tod überwand, BWV 626“, von CD: Die
größten Choräle aus 5 Jahrhunderten, Interpreten: CD2:
ERF-Studiochor & ERF Studioorchester, Leitung: Gerhard Schnitter, M.: Johann Sebastian
Bach, 2008 Hänssler Verlag
im SCM-Verlag GmbH & Co.KG, hänssler-music
(LC-Nr.:07224), Bestell-Nr.: 97.072, ASIN: B002K1YO0E
Autorin: Das
gilt auch für das dunkle Tal – das jeder irgendwie kennt. Es muss noch nicht
einmal die Angst vor dem Tod sein, es kann die Angst um den Arbeitsplatz sein,
vor Krankheit, vor der Zukunft, Sorge um die Ehe, ein Kind oder die Eltern. Kurzum
– Lebensängste, Lebenskrisen.
Klar – das Schaf wäre viel
lieber auf der friedlichen grünen Aue mit den Gänseblümchen und dem frischen
Wasser. Ja, aber. Der Text sagt das doch: Ich stecke nicht fest im dunklen Tal,
sondern ich gehe durch. Irgendwann ist das zu Ende. Dort hinten wird es wieder
hell – selbst, wenn ich es jetzt nicht sehe. Ich bin ja auf dem Wege, gehen
muss ich schon. Und Gott, der Herr, ist bei mir. Wie es heißt: Sein Stecken und
Stab trösten mich. Der Stecken ist ein Knüppel, um wilde Tiere abzuwehren. Mit
dem Stecken schützt der Hirte seine Schafe. Mit dem Stab werden junge Lämmer
sanft auf die Beine gestellt. Mit ihm hilft der Hirte Schafen aus einer Grube
heraus und leitet sie sanft in die richtige Richtung. Der Hirte nutzt diese Hilfsmittel
also, um Schutz und Orientierung im finsteren Tal zu geben. Vielleicht haben
Sie das schon erlebt, dass Sie in einer Krise so beschützt und geleitet wurden.
Dann können Sie auf diese Erfahrungen zurückblicken und Vertrauen haben, dass
Gott Sie wieder in der Krise leitet.
Musik 4: (= Musik 3) Choral 3. Strophe: Track
13, CD2 „Jesus Christus,
unser Heiland, der den Tod überwand, BWV 626“
Sprecher (overvoice):
Ein köstlich Tisch er mir bereit, sollt’s auch den
Feind verdrießen, schenkt mir voll ein, das Öl der Freud über mein Haupt tut
fließen; sein Güte und Barmherzigkeit werden mir folgen allezeit; in seinem
Haus ich bleibe.
Autorin: Wie
hört sich dieses poetische Lied aus dem Alten Testament in einer neueren
Übersetzung an? (Neues Leben, Psalm 23
Verse 5 und 6)
Sprecher:
Du deckst mir einen Tisch vor den Augen meiner Feinde.
Du nimmst mich als Gast auf und salbst mein Haupt mit Öl.
Du überschüttest mich mit Segen.
Deine Güte und Gnade begleiten mich alle Tage meines Lebens,
und ich werde für immer im Hause des HERRN wohnen.
Autorin: Ein
wenig Häme empfinde ich bei diesen Versen schon: Gott deckt mir den Tisch vor
den Augen meiner Feinde. Ich werde versorgt und die, die mir Böses wollen,
müssen zugucken und bekommen nichts. Recht so. Nun, mit diesem Vers sind aber
nicht unbedingt Menschen gemeint, die mir Böses wollen und tun. Es können auch
die inneren Feinde sein wie Zweifel, Angst oder Sorgen. Gleichwie – zur
Gastfreundschaft gehörte im alten Orient, dass die Feinde draußen bleiben
mussten und die Gäste beschützt waren.
Das Lied endet mit der Hoffnung – Gottes Güte und Gnade sind Tag für Tag bei mir. Und es endet mit einem Bekenntnis, dass ich im Hause dieses Gottes, der es so gut mit mir meint, immer wohnen bleibe. Das heißt: dass ich mich immer wieder daran erinnere, dass er mich wie der gute Hirte in meinem Leben begleitet. Auch als schwarzes Schaf.