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Kirche in WDR 3 | 30.05.2019 | 07:50 Uhr
Ein Quantum Ewigkeit
Ich liebe das Meer. Stundenlang kann ich am Strand stehen, vor allem im Sommer. Dort, wo die Wellen an den Strand spülen, lasse ich meine Füße vom Wasser streicheln. Ich genieße es, wenn die Wellen den Sand unter den Füßen wegspülen und diese dann immer mehr versanden, eingegraben werden.
Während ich Sand und Wasser an den Füßen spüre, schaue ich zum Horizont. Seine leichte Krümmung erinnert mich: Die Erde ist rund. In Gedanken verlängere ich den Horizont: Unendlich lang scheint die Kreisbahn um die Erdkugel zu sein. Ich komme ins Nachdenken und mache mir bewusst: Obwohl die Erde aus meiner Perspektive riesig ist, stellt unser Planet nur einen winzigen Punkt im endlosen Weltall dar, und ich wiederum bin ein winziger Punkt auf unserer Erde, bildlich gesprochen weniger als ein Elementarteilchen im All. Ich komme mir so unendlich klein vor! Wie ein Sandkorn am weiten Strand.
Mein Blick wandert weiter zu den Wellen: sie rollen von weitem heran, türmen sich immer mehr auf und brechen dann, mal donnernd, mal rauschend. Dieses Schauspiel fasziniert mich. Seit Millionen von Jahren brandet das Meer an die Küste, und das wird es auch weiterhin tun, bis zum Ende der Erdenzeit. Mein Leben – sagen wir mal, es dauert achtzig Jahre – ist dagegen ein Wimpernschlag. Wie unendlich winzig ist diese Zeitspanne angesichts der endlosen Brandung am Strand.
Manchmal komme ich mir bei solchen Gedanken völlig verloren und bedeutungslos vor: ich Menschlein im Weltall – angesichts von Milliarden Jahren Erdgeschichte.
Meistens aber staune ich: und zwar über mich selbst. Und über die Menschen an sich. Was für ein Wunderwerk ist der Mensch! Wir entstehen aus zwei winzigen Zellen, werden geboren und wachsen, entwickeln uns vom Säugling zum Erwachsenen. In unserem Körper arbeiten Bewegungsapparat, Verdauung, Herz und Kreislauf, ein Rädchen greift ins andere, ein geniales Konzept. Und die Krönung: unser Gehirn. Wir denken, erinnern uns, kommunizieren, lieben, erfinden Neues und denken nach über uns selbst, über unsere Vergangenheit und Zukunft, über den Sinn des Lebens. Über all das kann ich echt nur staunen.
Zwei Verse aus einem Psalmgebet der Bibel drücken aus, was ich dabei empfinde. Der Beter spricht da zu Gott: „Wie klein ist da der Mensch, wie gering und unbedeutend! Und doch gibst du dich mit ihm ab und kümmerst dich um ihn! Ja, du hast ihm Macht und Würde verliehen; es fehlt nicht viel und er wäre wie du.“ (Ps 8, 5f, Gute-Nachricht-Bibel)
Was für eine Aussage! Es fehlt nicht viel, und der Mensch wäre wie Gott. Das bedeutet für mich: Trotz meiner Winzigkeit bin ich für Gott groß. Er gibt sich mit mir ab und kümmert sich um mich. Er kennt mich. Und außerdem glaube ich: Ich bin einmalig, mich gibt es kein zweites Mal auf der Welt. Das macht mich – und jeden anderen Menschen – unendlich wertvoll.
Mit dieser Überzeugung fühle ich mich nicht klein und namenlos, wie ein Sandkorn am Strand. Im Gegenteil: ich bin gut aufgehoben bei Gott. Das fühlt sich für mich an wie zuhause sein, wie eine Heimat haben. Und zwar auch dann noch, wenn am Ende der Zeit die letzte Welle an den Strand spült.
Vielleicht haben Sie heute einmal das Gefühl, groß und wertvoll zu sein.
Das wünscht Ihnen jedenfalls Pastoralreferent Martin Dautzenberg aus Essen.