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Kirche in WDR 3 | 29.10.2019 | 07:50 Uhr
Ein menschlicher Mensch
Guten Morgen!
Transhumanisten machen von sich reden. Ihr Programm: Homo deus – der Mensch als Gott! Der Mensch als perfektes, unsterbliches Wesen! Diese neue „Religion“ peilt an: bis Ende 2100 die Lebensdauer auf 150 Jahre zu steigern. Eines Tages, so sagen sie, haben sie auch den Tod in den Griff.
„Wie schrecklich,“ denke ich, „ein solch selbstproduzierter Gottmensch zu sein!“ Verurteilt zum Siegen! Besessen davon, die eigene, natürliche Sterblichkeit zu unterdrücken!
Die Kehrseite dieser Fixierung auf ein grenzenloses Leben bemerke ich schon heute. Menschen werden zunehmend unfähig, das Leben zu nehmen, wie es ist, und sich am Leben zu freuen, wie es ist. Viele scheinen die eigene Lebensfremdheit und Lebensfeindlichkeit schon gar nicht mehr zu spüren.
Was mich besonders erschreckt: der
angezielte Mensch scheint gar kein wirklicher Mensch mehr zu sein. Denn dieser
Mensch wird nicht mehr trauern können, nicht mehr leiden, nicht mehr vergeben,
nicht mehr mitfühlen können. Er kann nicht mehr krank sein, sich nicht mehr
verabschieden, nicht mehr sterben. Er kann nicht mehr lieben, denn die Liebe
ist eine leidenschaftliche Schwäche eines sterblichen Menschen für einen
anderen sterblichen Menschen.
Was
macht ein Macher, wenn er nichts mehr machen kann? Er ist mit seiner Macht am
Ende. Wird der homo deus zum homo horror?
Ich finde: Da geht christlicher
Glaube weiter. Und er wurzelt tiefer. Weil er sich der Begrenzung stellt und
die unverrückbaren Grenzen miteinbezieht ins Leben. Leben ist für ihn nicht
bloß diesseits der Todesgrenze. Auch nicht bloß jenseits der Todesgrenze. Es
wäre dann ja auch nicht ewig, sondern endlich. Das ewige Leben ist keine
endlose Verlängerung des zeitlichen Lebens. Die künstliche Verlängerung des
Lebens scheint mir heute die größere Angst der Menschen zu sein, als die vor
dem Tod. Ewiges Leben kann ich mitten in der Zeit erleben. Es ist mitten im
Diesseits jenseits. Es ist inmitten der Zeit zeitlos, der Zeit enthoben. Es ist
der wunderbare, zeitlose Augenblick. Die Zeit steht still. Ich bin ganz Auge,
ganz Ohr, präsent von Kopf bis Fuß. Ganz in mir und zugleich unendlich über
mich hinaus. Mit jeder Zelle lebendig. Das geschieht, wo tiefe Begegnung
geschieht – mit einem geliebten Menschen, mit mir selbst auch und mit der
Schöpfung. Dann stimmt die Erfahrung des Dichters Andreas Gryphius auch für
mich:
„Der Augenblick ist mein, und nehm´ ich den in acht,
so ist der mein, der Jahr und Ewigkeit gemacht.“
Und so möchte ich heute beten: Gott, da erfahre ich plötzlich eine unglaubliche Freiheit und Weite. Das Glück, in diesem Augenblick mit Dir, dem Ewigen, verbunden zu sein. So bin ich glücklich, ein ganz alltäglicher, sterblicher Mensch zu sein.
Einen gottverbundenen Tag wünscht Ihnen
Georg Lauscher aus Aachen.