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Kirche in WDR 3 | 06.03.2014 | 07:50 Uhr
Vom Richten
Autorin: Guten Morgen, liebe Hörerin, lieber Hörer!
„Hast du das gehört? Die Meiers haben sich getrennt. Die haben doch zwei kleine Kinder. Dass die jungen Leute heutzutage immer so schnell auseinanderlaufen müssen. Keiner übernimmt mehr Verantwortung. Früher, da war das anders. Da wusste man noch, welche Werte wichtig sind. Das ist doch alles nicht richtig!“ -
„Hast du schon gehört, Frau Müller trinkt wieder. Ja, sie sieht auch schon so verlebt aus. Und mit den Finanzen stimmt es ja wohl auch nicht mehr. Sie hat ja auch über ihre Verhältnisse gelebt. Das hat sie jetzt davon.“ -
„Hast du schon gehört, der junge Schulz hat schon seine zweite Lehre abgebrochen. Naja, er soll ja auch immer so unpünktlich gewesen sein. Durchhaltevermögen hat er auch nicht; aus dem wird wohl nichts mehr werden. Aber die Jugend von heute weiß nicht mehr, wie gut es ihr eigentlich geht.“
Kommt Ihnen das bekannt vor, liebe Hörer? Ich denke, wir alle haben das in verschiedenen Varianten schon gehört oder waren selbst schon einmal an einem solchen Gespräch beteiligt. Dass über andere geredet und manchmal auch gelästert wird, das ist Alltag.
Schlimm ist, wenn mit solchen Äußerungen immer gleich ein Urteil über andere gefällt wird. Ganz schnell wird eingeteilt in Gut und Böse, in richtig oder falsch.
Sprecher: „Hört auf, andere zu verurteilen, dann werdet auch ihr nicht verurteilt. Denn andere werden euch so behandeln, wie ihr sie behandelt. Der Maßstab, nach dem ihr andere beurteilt, wird auch an euch angelegt werden, wenn man euch beurteilt. Warum regst du dich über einen Splitter im Auge deines Nächsten auf, wenn du selbst einen Balken im Auge hast?“
(Matthäus 7,1-3 Neues Leben)
Autorin: Das sagt Jesus in der Bergpredigt. Andere nicht zu verurteilen – das ist nicht so leicht. Denn meistens ist es ja so: Ich halte das, was ich tue oder meine Einstellung für richtig. Jeder der oder die anderes lebt, liegt dann falsch, denke ich. Wie schnell verurteile ich andere, ohne zu wissen, welche Gründe sie eigentlich in ihrem Inneren bewegen. Keiner kann in einen anderen hineinsehen, niemand kann bis ins Letzte nachfühlen, was in einem anderen vor sich geht.
Kein Außenstehender kann wissen, wie es wirklich um eine Ehe steht, keiner kann nachvollziehen, warum jemand Trost im Alkohol sucht, keiner weiß, wie es auf der Arbeitsstelle eines anderen zugeht. Und vermutlich kennen das die meisten: Es ist schmerzlich, wenn ich in einer schwierigen Situation bin und hinter dem Rücken urteilen die anderen über mich. Es ist verletzend und macht wütend, wenn ich dann irgendwann erfahre, welches Urteil andere Menschen über mich gesprochen haben – Menschen, die mich vielleicht nur oberflächlich kennen. Ich glaube, wer diese schmerzliche Erfahrung gemacht hat, der wird vorsichtiger im eigenen Urteil über andere sein.
Als Christin glaube ich: Es ist Gott, der das letzte Urteil über mein Leben sprechen wird. Davor muss ich keine Angst haben. Denn Jesus Christus hat mit seiner ganzen Person gezeigt: Dieses Urteil wird barmherzig sein. Denn: Gott blickt tiefer als ich es kann. Er hält die Abgründe und den Schmerz mit mir aus. Mit jedem Menschen. Ich denke: Es braucht oft Mut, einmal nachzufragen oder dem anderen zu sagen, was ich wahrnehme.
Zuzuhören, statt zu beurteilen, Hilfe anzubieten statt distanziert am Gartenzaun oder hinter verschlossener Bürotür zu tuscheln. Deshalb nehme ich mir heute vor, barmherziger mit anderen umzugehen. Auf meine Mitmenschen zu achten und ihnen in schwierigen Situationen zu helfen, anstatt ein allzu schnelles Urteil über sie zu sprechen. Einen achtsamen Tag wünscht Ihnen Ihre Johanna Krumbach, Pfarrerin in Augustdorf.