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Kirche in WDR 3 | 07.04.2020 | 07:50 Uhr

Völlig von der Rolle?

Guten Morgen.

Sind wir völlig von der Rolle, oder was? Warum in aller Welt hamstern die Leute Toilettenpapier, während ganz andere Dinge wichtiger wären. Mundschutz nähen zum Beispiel. Zu Hause bleiben. Für notleidende Kinder spenden. Gut zu den eigenen Kindern sein. Zum Beispiel. Oder zu den Großeltern und zum Partner oder zur Partnerin.

Psychologen haben dazu verschiedene Theorien, warum wir Toilettenpapier hamstern. (1) Sie mögen alle stimmen.

Sie treffen aber auch auf andere Produkte zu, die zeitweise ausverkauft scheinen. Mehl, Desinfektionstücher, Flüssigseife oder: Haferflocken.

Es ist schon fast einen Monat her, noch vor dem Kontaktverbot.

Im Supermarkt. Nebenan hievt eine junge Frau große Tüten mit Haferflocken aufs Band. Ein älterer Herr frotzelt: „Hamsterkauf wegen Corona?“ Die junge Frau guckt ernst: „Ja, und da stehe ich zu. Von diesen Haferflocken kann ich lange überleben.“ Kaum bin ich aus dem Supermarkt raus, denke ich: Vielleicht sollte ich das auch machen? Was habe ich denn noch zu Hause? Würde das reichen, falls mein Stadtteil unter Quarantäne käme? Die Bilder aus Italien habe ich vor Augen. Die sind uns nur ein wenig voraus.

Ein paar Schritte weiter kommt der nächste Supermarkt. Ich gehe rein - ans Regal mit den Haferflocken. Leer. Wirklich. Alle weg! Da sind mir andere zuvorgekommen. Diese Leere macht mir viel mehr Angst als die Warnungen vor dem Corona-Virus. Irrationale Ängste packen mich: Was, wenn ich die Letzte bin, die sich vorbereitet. Ich muss unbedingt auch einen Notvorrat haben. Es kann ja auch was anderes kommen. Ein Orkan, ein Tornado wie „Ela“, der am Pfingstfest 2014 durch meine Straße fegte. Als wir Gestrandete im Hausflur empfangen haben und beköstigten.

Ob Seuche, Virus, Klimakatastrophe oder Krieg: Der Mensch steht immer wieder vor der Angst, eine Lage nicht beherrschen zu können. Vierhundert Jahre wütet die Pest in Europa, das hat sich in das kollektive Gedächtnis eingegraben wie der Krieg. (2)

Und eben nicht zu wissen, wie es ausgeht. Das Unverfügbare zu spüren. Eine neue Situation tritt ein und ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Niemand kann sagen, wann und an welchem Ort der Virus auf mich lauert. Einen Impfstoff gibt es nicht. Die Angstforscher sagen, es ist völlig normal, dass man sich ausgeliefert fühlt. Und das ist kein gutes Gefühl. Um dieses loszuwerden, fangen alle an, etwas zu tun. Zum Beispiel zu hamstern. Denn das kann ich ja machen. Da kann ich für mich sorgen. Und das macht sowieso immer Sinn. Jedenfalls sieht das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe es so und empfiehlt allen Haushalten einen Vorrat von Lebensmitteln, Wasser, Medikamenten, Batterien für 10 Tage. (3)

Natürlich kann man sich einen Notvorrat anlegen – für alle Fälle. Toilettenpapier hält sich, ewig. Darin zu investieren kann nicht falsch sein. Denken sich viele. Psychologen sagen: Man will sich auch symbolisch das Eklige vom Hals halten. Kann sein.

Viel wichtiger ist aber: nicht panisch werden. Sich informieren. Wie gefährlich ist die Lage wirklich für mich persönlich und was kann ich tun. Und: im Herzen darauf vertrauen, was die Dichterin Mascha Kaléko einmal geschrieben hat:


Jage die Ängste fort

Und die Angst vor den Ängsten.

Für die paar Jahre

Wird wohl alles noch reichen.

Das Brot im Kasten

Und der Anzug im Schrank.


Sage nicht mein.

Es ist dir alles geliehen.

Lebe auf Zeit und sieh,

Wie wenig du brauchst.

Richte dich ein.

Und halte den Koffer bereit. (4)


So will ich leben: Haben als hätte ich nicht. Mich binden und bereit sein zum Aufbruch. Ich nenne es Gottvertrauen. Und das ist langfristig nahrhafter als Haferflocken und Hamsterkäufe.


Ich wünsche Ihnen einen guten Tag. Petra Schulze aus Düsseldorf.



( 1 ) https://www.fr.de/wissen/coronavirus-psychologen-erklaeren-hamstern-toilettenpapier-13602594.html (zuletzt abgerufen am 31.03.2020

( 2 ) https://pest-ausstellung.lwl.org/de/

( 3 ) https://www.chip.de/news/Hamsterkaeufe-Regierung-empfiehlt-10-Tages-Vorrat_120461066.html

Liste-fuer-den-Notfall.html

( 4 ) Sorge dich nicht! Gedicht von Mascha Kaléko. 28.02.2020 Kalender Zuversicht! 7 Wochen ohne Pessimismus. Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, Frankfurt am Main: edition chrismon 2019, aus: Mascha Kaléko, Mein Lied geht weiter. Hundert Gedichte. Ausgewählt und herausgegeben von Gisela Zoch-Westphal, dt München 2007, S. 68-69. Mit Freundlicher Genehmigung von dtv Verlagsgesellschaft & Co. KG.


Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

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