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Kirche in WDR 3 | 03.06.2020 | 07:50 Uhr

Singen

Seit ich neun war, bin ich Woche für Woche zum Cellounterricht gestiefelt. Eine lange Holztreppe führte zum Musikzimmer meiner Lehrerin. Oben angekommen, fiel mein Blick jedes Mal auf den „singenden Mann“, eine Skulptur des Bildhauers Ernst Barlach. Sie hing dort in großer Fotografie.

Bis heute sehe ich die Figur vor mir. Sie sitzt da, die Hände um ein Knie geschlungen, leicht zurückgelehnt, ernst und heiter zugleich, tief in sich versunken. Die Augen geschlossen, konzentriert. Eine faszinierende Kraft geht von diesem „singenden Mann“ aus. Jahre später habe ich das Original gesehen. Und war zunächst enttäuscht. Viel kleiner ist die Bronzefigur, als ich sie mir vorgestellt hatte. Doch die Ausstrahlung ist die gleiche: Mutig. Stark. Widerständig.


Viele vermissen das Singen zurzeit schmerzlich.

So einsam wie der „singende Mann“ mag es noch gehen; oder von Balkon zu Balkon, von Fenster zu Fenster, wie es uns die Italiener vorgemacht haben und wie es viele auch bei uns seit Wochen Abend für Abend tun, manche mit der ganzen Familie: „Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen am Himmel hell und klar ...“.

Aber gemeinsam singen, im Chor oder im Gottesdienst, bei Konzerten oder im Stadion – gemeinsam singen scheint gefährlich. Mit den Tönen könnten Viren ausgestoßen werden und andere infizieren. Beinahe zynisch, wie sich die heilsam ansteckende Kraft des gemeinsamen Singens auf einmal in ihr glattes Gegenteil verkehrt. Singen könnte im buchstäblichen Sinne anstecken und krank machen.


Ja, das gemeinsame Singen fehlt. Zu Pfingsten haben es manche endlich wieder getan. Unter freiem Himmel, im Gottesdienst auf der großen Wiese vor der Kirche oder auf der Lichtung im Wald. Vielleicht haben sie dabei gespürt, wie das Singen uns über uns selbst hinaus trägt. Wer singt, ist im wahrsten Sinne der Worte „außer sich“. Ich kann meine Freude und meine Traurigkeit in die Töne legen, meine Sehnsucht und meine Hoffnung. Sie klingen aus mir hinaus und werden dabei weiter als mein verzagtes Herz, größer als mein zweifelnder Glaube, gewisser als mein wackliges Vertrauen.


Viele Gebete, die wir in der Bibel finden, sind ursprünglich Lieder.

Und viele Lieder, die wir in der Kirche singen, sind ursprünglich Gebete.

Singen und beten hängen eng miteinander zusammen.


Wenn mir die Worte zum Beten fehlen, singe ich manchmal. Und dann ist sie plötzlich da, die fremde Kraft, die mir schon damals bei jener singenden Figur auffiel. Zu Pfingsten feiern wir diese Kraft: den Heiligen Geist. Wir wissen nicht, was wir beten sollen, heißt es an einer Stelle der Bibel, aber der Geist Gottes tritt für uns ein mit unaussprechlichem Seufzen. (Römer 8,26)


Gott gebe, dass wir bald wieder gefahrlos miteinander singen können. Bis dahin wird er selbst uns vertreten. Wenn´s sein muss, mit Seufzen. Da bin ich ganz gewiss.


Aus Bielefeld grüßt Sie Annette Kurschus, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen.



Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

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