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Kirche in WDR 3 | 08.07.2020 | 07:50 Uhr
Wie ist Gott?
„Wir beginnen die Konferenz
heute mal mit einem virtuellen Impuls“. Och nee, denke ich. Schlimm genug, dass
wir zwei Stunden Videokonferenz vor uns haben. Auf dieses teambildende
Vorgeplänkel könnte ich eigentlich jetzt gut verzichten.
Aber da ploppt auf meinem Bildschirm schon in dicken schwarzen Lettern die
Frage auf: „Wie ist Gott?“.
Wie, wie ist Gott, frage ich mich. Soll das jetzt jeder der 12
Videokonferenzteilnehmer beantworten? Laut, vor allen? Mit dem Cursor fahre ich
über die Teilnehmergalerie und blicke in betretene Gesichter. Schweigen im
Walde. Niemand will das, alle schauen nach unten.
„Bitte gebt im Internet
jetzt mal die Adresse www.menti.com ein. Da könnt ihr die Frage anonym
beantworten“, sagt der Konferenzleiter. Aha, anonym. Wenigstens das, denke ich
und öffne in meinem Smartphone die Seite, die mich nach einer PIN fragt. 4731
geben wir alle ein und schon prangt auch auf meinem Handy die Frage: „Wie ist
Gott?“ Mmh.
„Allwissend“, tippe ich in das Feld darunter. Und lösche das gleich wieder.
Allwissend, das klingt so unnahbar. Gott ist eigentlich das Gegenteil von
unnahbar. Und er ist freundlich. „Gütig“ schreibe ich in das Feld, traue mich
aber noch nicht es abzuschicken.
Da ploppt in der
Videokonferenz die erste Antwort auf. „Vater“, hat jemand geschrieben. Schön,
denke ich. Passt zu „gütig“. Ich drücke auf Enter und keine Sekunde später ist
auch mein Wort für alle lesbar: „gütig“ gesellt sich zu „Vater“. Das gefällt
mir ganz gut. Ich muss lächeln und einige andere lächeln auch.
„Zukunft“ ploppt auf und „außergewöhnlich“. „Atemraubend“ postet jemand.
Wie unterschiedlich wir alle diese Frage beantworten, denke ich. Und wie sehr sich in mir jetzt trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, eine starke Verbundenheit breit macht. Wir sind so verschieden wie unsere Vorstellungen von Gott. Aber wir alle haben eine Vorstellung von ihm und das verbindet. Das ist Gemeinschaft. Und viel mehr als nur ein einfaches „wir“.
Jeder von uns hat gerade
etwas sehr Intimes mit der Gruppe geteilt. War ehrlich und authentisch. Das
sind doch die Zutaten, aus denen Vertrauen entsteht.
Der fast schon etwas abgedroschene Satz aus dem Matthäusevangelium kommt mir in
den Sinn: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten
unter ihnen.“ (Mt 18,19-20).
Genauso fühlt sich das an: Gott hat hier im Videochat gerade fühlbar
Gemeinschaft gestiftet. In 12 ganz unterschiedlichen Antworten auf die große
Frage „Wie ist Gott?“. Die Antworten sehen zusammen ganz toll aus auf meinem
Bildschirm.
Ich tippe ein weiteres Wort in mein Smartphone: „Gemeinschaft“. Wiederstehe aber dem Drang es abzuschicken. Denn es muss gar nicht gepostet werden. Viel schöner ist ja, dass wir es gerade alle fühlen dürfen.
Kommen Sie gut in den Tag, Ihre Verena Tröster aus Köln.