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Kirche in WDR 3 | 16.07.2020 | 07:50 Uhr
Blumen sprießen in der Wüste
Unruhig frage ich mich damals: Was von dem, was eine
Pastorin tut, kann ich jetzt noch machen? Nach zwei Wochen weiß ich
es: Wir bieten Gottesdienste zum Hören an. Ich telefoniere statt
einen Besuch zu machen. Weil wir nicht konfirmieren können, schreibe
ich Postkarten an die Konfirmandinnen und Konfirmanden. Ich halte
Video- und Telefonkonferenzen am Schreibtisch, schicke Briefe und
Päckchen zu den Geburtstagskindern.
Das geht ganz gut, bis
sich etwa Ende Mai dieses müde Gefühl bemerkbar macht. „Corona
macht lethargisch“, meint mein Mann.
Die
Bedrohung durch das Virus ist weiterhin präsent. Wir können zwar in
Schutzkleidung Eltern und Großeltern wieder im Altenheim besuchen.
Auch die Krankenhäuser werden vorsichtig geöffnet.
Kindertagesstätten nehmen wieder mehr Kinder auf. Zwei Wochen lang
gingen die Jugendlichen sogar wieder alle in die Schule. Wir feiern
Gottesdienste mit wenigen Menschen und ohne Gesang.
Die
Schutzmaßnahmen bleiben dieselben. Die Infektionszahlen nehmen hier
ab und wachsen woanders sprunghaft. Ein Ende der Pandemie ist bis
heute nicht in Sicht.
So stelle ich mir eine Wüstenwanderung
vor. Umgeben von hohen Dünen. Sonne brennt vom Himmel. Trockener
Wind. Sandkörner kratzen im Gesicht. Das Ziel ist nicht zu sehen.
Nur endlos weiter Sand.
In diese Stimmung hinein fällt eine Postkarte in meinen Briefkasten. Von den Landfrauen. Ich lese die handgeschriebenen Zeilen in einem Zug:
„Manche
Menschen wissen gar nicht, wie wichtig es ist, dass es sie gibt.
Wie
gut es tut, sie zu sehen.
Wie tröstlich ihr Lachen ist,
wie
wohltuend ihre Nähe.
Wie viel ärmer wir ohne sie wären und
wie reich die Momente mit ihnen sind.“ (1)
Die Worte versetzen mich zurück in die Tage vor dem Lock-down. Mit den Landfrauen hatte ich einen Gottesdienst geplant, in Gedanken schon die Scheune mit Trecker, Strohballen und regionalen Produkten dekoriert. Vom Landleben wollten wir erzählen, dafür danken und Gott um Segen bitten.
Wir mussten es ausfallen lassen. Aber aufgeben geht gar nicht, finden die Landfrauen. Den Gottesdienst konnten sie nicht feiern. Doch: zusammen in mehreren Autos einen Film im Autokino genießen – das ging. In einem offenen Garten Kaffee trinken - das ging. Zusammen abends spazieren gehen – auch das ging. Und die Postkarte verschicken. Schön, dass ich eine bekommen habe. Schön, dass auf der Postkarte Feldblumen sprießen, im rosaroten Rahmen einer Brille.
Ich steh mit der Karte in der Hand am Briefkasten und da fängt meine Wüste an zu blühen.
Es ist, als sagte die uralte Stimme des großen Propheten Jesaja zu mir: “Wohlan, alle, die ihr durstig seid. Ich will euch erquicken.“ (Jesaja 55,1)
Wasser, das Ihren Durst löscht, als sprudelndes Getränk, als erfrischendes Gespräch, als ein unerwarteter Brief oder wohltuende Stille wünscht Ihnen für heute Pfarrerin Kathrin Koppe-Bäumer aus Meschede.
( 1 ) Manche Menschen wissen gar nicht…. Auszug aus dem Gedicht: Ein Geschenk des Himmels“ von: Petrus Ceelen (*1943), belgischer Geistlicher, Psychotherapeut, Autor und Aphoristiker, arbeitete als Gefangenenseelsorger und ist seit 1992 Aids-Pfarrer in Stuttgart.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze