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Choralandacht | 13.02.2021 | 07:50 Uhr
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Liebe, die du mich zum Bilde (eg 401)
„Milch und Zucker?“ reißt es mich aus meinen Gedanken. „Was? – Oh! Ja bitte! Milch und Zucker.“
Die alte Dame kommt mit einem Tablett ins Wohnzimmer. Die Tassen klirren. Sie zittert leicht, doch merklich. Helfen darf ich ihr nicht. Das hat sie klargestellt.
95 Jahre alt ist sie heute geworden. Und ich bringe die Glückwünsche der Kirchengemeinde.
Nachdem Kaffee, Milch und Zucker verteilt sind, setzt sie sich in ihren Sessel mir gegenüber und strahlt mich an. Ganz anders als auf den Fotos auf der Kommode. Und doch glaube ich, sie auf dem ein oder anderen Bild wiederzuerkennen.
Musik: Choral, 1. Strophe
Titel: [1] Liebe, die du mich zum Bilde deiner Gottheit hast gemacht; Werktitel: Liebe. Ein Zyklus von 3 Chorlieder, op 18 (nach Dichtungen von Johannes Scheffler); Komponist: Cornelius, Peter; Textdichter/Übersetzer: Angelus Silesius / Scheffler, Johannes; Dirigent: Ritter, Godfried; Chor: WDR Rundfunkchor Köln; WDR-Eigenproduktion (CD 5315185.1.05)
Overvoice-Sprecherin:
„Liebe, die du mich zum Bilde deiner Gottheit hast gemacht, Liebe, die du mich so milde nach dem Fall hast wiederbracht: Liebe, dir ergeb ich mich, dein zu bleiben ewiglich.“
Autor: So ein Besuch gehört zu den schönen Dingen meines Berufs als Pfarrer: einem Menschen zu begegnen, und am Leben des anderen teilhaben zu dürfen. Jede dieser Begegnungen ist so einzigartig, wie die Menschen einzigartig sind. Wir alle sind nach Gottes Bild geschaffen, heißt es am Anfang der Bibel. Zugleich sind wir alle einzigartig. Durch das Leben, das wir führen, die Menschen, denen wir begegnen und die Entscheidungen, die wir treffen.
Die Dame folgt meinem Blick zu den Fotos am Fenster. Sie hat mich erwischt. „Erinnerungen eines Lebens“, sagt sie und lächelt noch breiter als zuvor. Sie geht zur Kommode und holt eines der Bilder. Auf dem Weg zurück zum Wohnzimmertisch, hält sie den silbernen Rahmen wie einen kostbaren Schatz an ihre Brust gedrückt. Sie reicht mir das Bild über Kaffeetassen und Kuchenplatte hinweg. Es ist eines von denen, auf dem ich sie in jungen Jahren vermutet hatte. Neben ihr ein adretter Mann im dunklen Anzug – ein Hochzeitsfoto. „Mein Carl und ich. Vor über 75 Jahren“, sagt sie.
Musik: Choral, 2. Strophe
Overvoice-Sprecherin:
„Liebe, die du
mich erkoren, eh ich noch geschaffen war, Liebe, die du Mensch geboren und mir
gleich wardst ganz und gar: Liebe, dir ergeb ich mich, dein zu bleiben
ewiglich.“
Autor: Lange erzählt die 95jährige von ihrem Carl: wie sie sich kennengelernt haben; vom ersten Treffen; von den vielen Liebesbriefen, die sie bis heute hat. Ich sitze auf dem Sofa und höre ihr zu. Sofort merke ich, dass wie mir warm ums Herz wird und wie ich die sprichwörtlichen Schmetterlinge im Bauch fühlen kann. So lebendig, so tief, so echt ist die Liebe, von der sie erzählt.
Ich denke an meinen Partner. An unsere gemeinsame Zeit. An das Verliebtsein am Anfang, an die Liebe, die sich entwickelt hat. An die Schmetterlinge, damals und heute.
Liebe ist bedingungslos und doch bedingt durch das Gegenüber. Der Theologe Albert Schweitzer soll gesagt haben: „Liebe ist das Einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt.“ Ein schönes Bild.
Liebe ist ein starkes Gefühl – vielleicht das stärkste überhaupt. Mit diesem starken Gefühl beschreibt die Bibel die Beziehung von Gott zu uns Menschen – Liebe. Gott liebt uns. Der Arzt und Priester Johann Scheffler hat das vor über 350 Jahren in den Versen dieses Chorals ausgedrückt. Gottes Liebe, so Scheffler, ist so groß, dass er uns geschaffen und ausgewählt hat. Und weiter…
Musik: Choral, 3. Strophe
Overvoice-Sprecherin:
„Liebe, die für mich gelitten und gestorben in der Zeit, Liebe, die mir hat erstritten ewge Lust und Seligkeit: Liebe, dir ergeb ich mich, dein zu bleiben ewiglich.“
Autor: Gott schickt seinen Sohn Jesus zu uns Menschen auf die Erde. Jesus leidet und stirbt. Damit erstreitet er mir „ewge Lust und Seligkeit“, dichtet Scheffler. Der Tod Jesu am Kreuz aus Liebe ist das Zentrum des christlichen Glaubens. Viele verbinden damit die Vergebung der Sünden. Wir Menschen sind von Gott geliebt. Ohne Bedingungen. Weil wir es sind. Diese Liebe steht auch im Zentrum meines Glaubens.
Während die 95jährige Dame immer wieder erzählt, laufen dicke Tränen über ihr Gesicht. Vor 10 Jahren ist ihr Mann Carl gestorben. Nach 66 Jahren Ehe. Während sie erzählt, hält sie mit der rechten Hand den goldenen Anhänger an ihrer Kette fest. Das erste Geschenk von Carl. Mehrfach ist der Anhänger schon beim Juwelier repariert worden, erzählt sie. Als sie ihn aufklappt ist ein winziges Foto darin zu sehen. Es ist kaum zu erkennen. „Meinen Carl habe ich immer dabei. Solange bis wir uns wiedersehen.“
Musik: Choral, 7. Strophe
Overvoice-Sprecherin:
„Liebe, die mich wird erwecken aus dem Grab der Sterblichkeit, Liebe, die mich wird umstecken mit dem Laub der Herrlichkeit: Liebe, dir ergeb ich mich, dein zu bleiben ewiglich.“
Autor: Morgen ist Valentinstag, der Tag der Verliebten. Manche schreiben Liebesbriefe, besondere Karten oder digitale Liebesbotschaften. Für viele ist es ein Tag, um der oder dem Liebsten eine Freude zu machen. In der Bibel beschreibt der Apostel Paulus die Liebe auf wunderbare Weise:
Sprecherin: Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. (1. Kor 13,4–7; Lutherbibel 2017)
Autor: Morgen ist Valentinstag. Für mich ist es auch ein Tag zum Danken. Dafür, dass mir Liebe geschenkt ist; dass ich liebe und geliebt werde; dass Gott mich liebt. Ein Festtag für die Liebenden und die Liebe.
Musik: Choral, 1. Strophe
Liebe, dir ergeb ich mich, dein zu bleiben ewiglich;
Liebe, dir ergeb ich mich, dein zu bleiben ewiglich.
Quellen:
Thust, Karl Christian: Die Lieder des Evangelischen Gesangbuchs. Band 2: Biblische Gesänge und Glaube – Liebe – Hoffnung (EG 270–535). Kommentar zu Entstehung, Text und Musik. Kassel 2015. Art. 401 Liebe, die du mich zum Bilde. S. 276–278.
Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth