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Kirche in WDR 3 | 15.04.2021 | 07:50 Uhr

Jeder Mensch

Wann waren Sie das letzte Mal beim Arzt? Also, ich meine jetzt nicht, weil es im Hals kratzt – sondern weil Sie eine Vision hatten. Das ist ja das vielleicht berühmteste Zitat, das von Altkanzler Helmuth Schmidt geblieben ist: „Wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen.“ Wenn Sie mich fragen: Ziemlich erbärmlich für ein politisches Vermächtnis.


Ganz anders der Mann, der heute vor 156 Jahren starb. Er lebte für eine Vision, die nicht er begründet hatte, sondern, knapp 100 Jahre vor ihm, die politischen Väter der Vereinigten Staaten. Am 15. April 1865 starb Abraham Lincoln. Tags zuvor wurde er von einem politischen Aktivisten erschossen. Kein Arzt konnte mehr helfen.


Bis heute nennen die Amerikaner Lincoln den „Moses der USA“ – und das nicht von ungefähr. Denn Lincoln führte die USA aus der Sklaverei. Lincoln brachte zur Erfüllung, was diese politischen Väter der amerikanischen Verfassung eben knapp 100 Jahre zuvor ziemlich kühn formuliert hatten: „that all men are created equal“ – „dass alle Menschen gleich geschaffen sind“.

Warum war das eine kühne Formulierung? Altkanzler Schmidt, der knorrige Realist, hätte sie vielleicht sogar „frech“ genannt. ; Denn: die Gedanken von Freiheit und Gleichheit schrieben ausgerechnet Sklavenhalter in die Verfassung: George Washington hatte Sklaven, Thomas Jefferson auch – und die meisten anderen. Und dennoch: dieser Text, die Unabhängigkeitserklärung, dieses „We, the people“ gehört zu den kühnsten und großartigsten Visionen der Menschheitsgeschichte.


Warum erzähle ich heute von Lincoln, von Visionen und vom Arztbesuch? Weil Ihnen sicherlich auch schon aufgefallen ist, wie malad unsere Situation ist. Und das liegt nicht an Corona. Im Gegenteil: die Pandemie übertüncht die ganz großen Probleme, an denen unser Zusammenleben „krankt“: Klimawandel, globale Gerechtigkeit und die Auswirkungen der digitalen Revolution. Und um Europa ist es auch nicht gut bestellt. Und ich fürchte, es wird sich noch rächen, dass wir diese Probleme vor uns herschieben.


Aber: jede Krise birgt die Chance, die Dinge zum Besseren zu wenden. Und vielleicht wird diese Woche einmal in die Geschichte eingehen, als die, in der sich eine Vision Bahn gebrochen hat.

Am Montag nämlich ist ein Text veröffentlicht worden, der das Potenzial dazu hat. Er beginnt nicht mit „We, the people“, sondern mit „Jeder Mensch“ – aber er ist von der Gattung dasselbe, wie einst die Unabhängigkeitserklärung: Die Zusammenstellung von Grundrechten.

Ferdinand von Schirach, der bekannte Schriftseller hat sie für die EU zusammen geschrieben, im Abgleich mit zahlreichen Europarechts-Expert*innen. Nicht als eine schöne Fiktion, sondern als Vision, die Realität werden soll.

Es sind insgesamt sechs neue Grundrechte.
Sie können die einfach auch nachlesen unter. Www.jeder-mensch.eu. Im Artikel 4 geht es zum Beispiel um das Grundrecht auf Wahrheit: „Jeder Mensch hat das Recht, dass Äußerungen von Amtsträgern der Wahrheit entspreche“, heißt es da.


Allein dieser Artikel birgt Sprengkraft: Wenn das wirklich EU-Recht werden würde, wären uns ein Donald Trump und seine „Fake News“ in Europa erspart geblieben. Zumal jeder EU-Bürger dann das Recht hätte, gegen jemand wie Trump zu klagen. Denn der letzte, der 6. Artikel, besagt genau das: Alle EU-Bürger*innen können sich die neuen wie die alten Grundrechte einklagen vor Europäischen Gerichten.


Ich bin mir sicher: Sie werden in den kommenden Wochen und Monaten noch öfter von diesen sechs Vorschlägen für neue, zusätzliche EU-Grundrechte hören. Denn: die befassen sich mit den größten Herausforderungen unserer Zeit. Ich bin mir auch sicher: Es wird um diese Grundrechte noch gestritten werden. Zum Beispiel müssten wir als Kirche klären, wie wir zu diesem Artikel 4 stehen würden. Denn da sind wir mitten in der Frage, die Pontius Pilatus an Jesus stellt: „Was ist Wahrheit?“ Und die Frage wäre: Kann ich dann dafür verklagt werden, wenn ich mich hier z.B. im Rundfunk mit einer Äußerung melde wie: „Jesus ist Gottes Sohn“?


Sie merken vielleicht schon jetzt: Das wird nicht leicht sein. Was sich aus den 6 sechs Grundrechten ergibt, hat Sprengkraft. Aber: Ich ahne, dass dieser Text – „Jeder Mensch“ – in dieser so visionsarmen Zeit einen echten Schub bringen kann. Ob wir dann mehr oder weniger zum Arzt gehen müssen, das wird sich zeigen. Jedenfalls hoffe ich hoffe am Todestag von Abraham Lincoln darauf, dass diese sechs Visionen aus dieser Woche vielleicht 100 Jahre später ganz unumstritten zur Europäischen Verfasstheit gehören werden. Sie können Sie auf www.jeder-mensch.eu nachlesen und unterstützen.

Aus Köln grüßt Sie, Klaus Nelißen.

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