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Kirche in WDR 3 | 02.06.2021 | 07:50 Uhr

Mitgefühl (Samariter)

Guten Morgen!

Auf dem Weg zur Bankfiliale spürt er es wieder, dieses Stechen in der Brust. Er ist nicht mehr der Jüngste. Über 80. Als er in dem kleinen Vorraum mit dem Geldautomaten steht, ist das Stechen immer noch da. Stärker werden die Schmerzen jetzt. Er kann sich nicht mehr aufrecht halten. Dann wird es dunkel um ihn.

Nach einer Weile kommt ein anderer Bankkunde. Er sieht ihn leblos am Boden liegen, macht einen großen Schritt über ihn und tritt zum Automaten. Er hebt Geld ab und geht wieder. Bald darauf betritt eine Frau den Raum. Auch sie steigt über ihn hinweg. Er ist immer noch bewusstlos. Der nächste, der Geld holen will, stutzt bei seinem Anblick, kniet nieder, spricht ihn an, schüttelt ihn. Dann greift er zum Telefon und wählt die Notrufnummer. Er bleibt, bis der Krankenwagen eintrifft.

Die beiden, die den Hilflosen liegen ließen, waren Deutsche. Der Helfer war ein Flüchtling aus Syrien.

Wer ist mein Mitmensch? Darüber haben schon viele nachgedacht. Heute wie vor 2000 Jahren. Damals ist ein jüdischer Wanderprediger namens Jesus oft im Gespräch mit den religiösen Autoritäten im Land Judäa. In einem dieser Gespräche fragt ihn einer: Was meinst du, Jesus. Wer ist mein Nächster? Einig ist man sich über das Gebot: Den Nächsten soll man lieben. Aber wer ist das eigentlich, mein Nächster?

Jesus antwortet mit einer Geschichte. (Die Bibel, Lukas 10,25-37) Ein Mann wird überfallen. Die Räuber nehmen ihm, was er hat, schlagen ihn halb tot und lassen ihn am Straßenrand liegen. Ein Priester kommt vorbei – und geht weiter. Ein Tempeldiener kommt vorbei – und geht weiter. Dann kommt wieder einer. Als der den Schwerverletzten sieht, hat er Mitleid, leistet Erste Hilfe und bringt ihn in ein Quartier, wo er weiter für ihn sorgt.

Der Helfer ist ausgerechnet einer aus Samarien, ein Samariter. Ausgerechnet er übt tatkräftige Nächstenliebe. Zwischen Juden und Samaritern war das Verhältnis angespannt bis zerrüttet. Hier spielt das keine Rolle. Denn dein Nächster ist der Hilfsbedürftige vor deinen Füßen. Der Mann, der unter die Räuber gefallen war, ist der Nächste für den Mann aus Samarien. Der wägt nicht ab, ob das Gebot der Nächstenliebe auf diesen Mann hier zutrifft. Er handelt ganz einfach aus einem Gefühl heraus: aus Mitleid. Und so wird er für den Hilflosen am Straßenrand selbst zum Nächsten.

Manchmal kommt dieses Mitgefühl abhanden – trotz religiöser Gebote und trotz geltender Gesetze. Bei uns sagt das Gesetz: unterlassene Hilfeleistung ist strafbar.

Die Liebe zum Mitmenschen, wie sie Jesus schildert, ist ganz unabhängig von Herkunft und Hautfarbe. Sie ist unabhängig von der sozialen Stellung, der politischen oder religiösen Überzeugung. Diese Liebe lässt mich spüren: Da muss ich jetzt helfen.


Dass Sie diese Nächstenliebe heute erfahren oder selber geben, wünscht Ihnen

Ihr Andreas Duderstedt aus Lemgo.




Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

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