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Kirche in WDR 3 | 17.09.2021 | 07:50 Uhr

Wer mein theologisches Feuer entfacht hat

Theologie ist eine Geisteswissenschaft. Und als ich begonnen hab, Theologie in Münster zu studieren, da hab ich schon ein wenig gefürchtet, das Ganze werde arg staubtrocken. Was man den Geisteswissenschaften ja so nachsagt. Aber dann hab
ich mich im ersten Semester in eine Vorlesung gesetzt– und die hat mein Feuer für die Theologie entfacht. „Geschichte des Christusbildes“ hieß die; der Professor hieß Arnold Angenendt. Alle, die ihn gehört haben, werden bestätigen: Angenendt war eine akademische Naturgewalt: Kirchengeschichte – staubtrocken? Nein: Hochspannend!!

„Die Geschichte, meine Damen und Herren, hängt an seidenen Fäden“ – war sein Mantra. Einer seiner liebster Beweise dafür: die Erfindung des Steigbügelhalters beim Pferd. Durch den nämlich hatte Karl Martell den entscheidenden Vorteil in der Schlacht von Poitiers im Jahre 732. Damit kamen die Franken schneller aufs Pferd und auch schneller wieder runter vom Pferd und waren so flinker als die muslimischen Reiter. Ein typischer Angenendt: Die Rettung des christlichen Abendlandes verdankt sich zunächst dem Steigbügel, dann erst Karl Martell.

Angenendt hatte den Blick fürs Detail und zugleich für die großen Zusammenhänge. So zeigte er uns in der Vorlesung zur Geschichte des Christusbildes Kreuzesdarstellungen von Rubens und Rembrandt. Beides Zeitgenossen; lebten knapp 150 Km voneinander entfernt, der eine in Antwerpen, der andere in Amsterdam. Aber, so zeigte Angenendt mit dem Dia-Projektor: Während bei Rubens der Christus am Kreuz eher ausschaut, als hätte er zuvor noch in der Mucki-Bude trainiert, hängt der Gottessohn bei Rembrandts Kreuzabnahme – pardon – wie ein nasser Sack. Warum? Wir Studierende rätselten, Angenendt hatte für sich die Lösung klar: Rubens war katholisch und durfte somit ins katholische Italien reisen. Er sah Michelangelo, sah die Kunst der Antike, Rembrandt war das als Protestant verwehrt. Dass sich die Konfession auf den Malstil auswirkt, weil die Voraussetzungen unterschiedlich sind: von Reisebedingungen angefangen, bis zum sogenannten „Mindset“ – das war typisch Angenendt.

Er hatte sich einen Namen gemacht als Mentalitätsforscher. Als jemand, der nicht nur darauf schielt, was in den Akten, Urkunden und Inschriften steht, sondern er wollte durchdringen: Was hat sich in den Köpfen der Leute abgespielt? Was hat sie geprägt? Was lag zu der oder jener Zeit in der Luft?

In dieser Vorlesung über das Christusbild, mit der ich Feuer für die Theologie gefangen hatte, hat mich ein Fakt am meisten beeindruckt. Und der sagt viel aus über die Mentalität der frühen Christen: Fast tausend Jahre gibt es keine Abbildung vom toten Jesus am Kreuz. Die Darstellung des Kreuzes taucht eh erst verblüffend spät auf in der christlichen Kunst – rund 400 Jahre nach Jesu Tod setzt sich das Kreuz durch, ungefähr da, als das Christentum Staatsreligion wird. Aber, so sagte es Angenendt, auch dann trauten sich die Christen offensichtlich nicht, ihren Heiland wirklich sterbend darzustellen. Dass der Gottessohn elends sterbe musste – bis das zu sehen ist, wird es in der Kirchengeschichte noch dauern. Bis dahin sieht man ihn immer gekreuzigt: mit offenen Augen, als Auferstandenen – so als wollten die Christen da den Karfreitag vorspulen. Als schämten sie sich. Es sollte dauern bis nach dem Jahr 971, dass dieser Jesus sichtbar am Kreuz stirbt. Und Sie können sich diese wohl erste Darstellung vom toten Jesus am Kreuze gerne einmal näher anschauen kommen. Ich arbeite nur einen Steinwurf davon entfernt: Im Kölner Dom nämlich befindet sich das sogenannte Gero-Kreuz. Das vom damaligen Kölner Erzbischof Gero nach einer Byzanzreise 971 (daher kennen wir das Datum) in Auftrag gegeben wurde. Und hier sehen wir Christus: tot, mit geschlossenen Augen, wie noch nie zuvor in der bis dahin fast tausendjährigen Geschichte des Christentums.

Immer wieder, wenn ich seitdem in der Kölner Dom gehe, denke ich an Arnold Angenendt, der mir damals die Augen geöffnet hat, für dieses kleine – aber irgendwie auch große Detail der Kirchengeschichte. Und als vor einem Monat Arnold Angenendt seine Augen schloss, als er starb mit 86 Jahren, da ging ich zu einem Kerzenständer nahe des Gero-Kreuzes und zündete ein Kerzchen an. Als Dank für das Feuer, das er damals mit seiner Theologie in mir entfacht hatte. Und davon wollte ich heute erzählen – an einem Freitag im September.

Aus Köln grüßt Sie, Klaus Nelißen

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