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Choralandacht | 26.02.2022 | 07:50 Uhr

DIESER BEITRAG ENTHÄLT MUSIK, DAHER FINDEN SIE HIER AUS RECHTLICHEN GRÜNDEN KEIN AUDIO.

„Nun danket all und bringet Ehr“ eg 322

Autor:
"Glück ist eine Farbe und immer nur ein Moment", sagt Ferdinand von Schirach. Es ist der letzte Satz in seinem Buch „Kaffee und Zigaretten“. Seine Geschichten sind Bestseller, verfilmt und auf die Bühne gebracht. Über dem, was von Schirach beschreibt, liegt oft etwas Melancholisches. Seine Figuren sind oft einsam. Ist er das auch? Man kann das vermuten. "Glück ist eine Farbe und immer nur ein Moment." Wann er selbst denn mal glücklich gewesen ist, fragt ihn ein Reporter. Von Schirach denkt kurz nach. „Da gab es zwei Momente in meinem Leben,“ sagt er. Das eine Mal sei in Hamburg gewesen, das andere Mal auf einer Autofahrt. Beschreiben will er sie nicht.
Ich schlucke. Hat er das wirklich so gesagt? Zwei Momente? Doch. Zwei Momente Glück. In seinem ganzen Leben.

Kann man so unterschiedlich leben? Oder das Glück so verschieden empfinden? Es scheint so. Wann bin
ich
glücklich?

Ich trete morgens auf unsere kleine Terrasse, spüre den Boden unter den Füßen, atme die frische Luft ein und habe dieses tiefe Gefühl von Glück. Von Zuhause sein. Ganz egal, ob die Morgensonne glänzt oder Nieselregen fällt. Ob es nach September riecht oder nach Februar. Gerade jetzt, wo die Nachrichten so schwer sind und so ernst. Wo Krieg herrscht in der Ukraine, Menschen verletzt werden, fliehen, sterben. Ja, ich mache mir Sorgen. Plötzlich ist der Friede in ganz Europa bedroht. Und ich halte umso mehr inne und bin dankbar für das Leben, das ich habe. In diesem Moment.


Musik 1: Choral, Strophe 1

Titel: „Nun danket all und bringet Ehr“;
Komponist: Johann Crüger 1653 nach Pierre Davantés 1562; Texter: Paul Gerhardt (1647); Leitung: Gerhard Schnitter; Interpreten: Das Solistenensemble; Album: Lobe den Herren- Die schönsten Loblieder und -choräle; Verlag: SCM-Hänssler 2005, Label: Hänssler music, LC.-Nr.: 07224


1. Nun danket all und bringet Ehr,

ihr Menschen in der Welt,

dem, dessen Lob der Engel Heer

im Himmel stets vermeld’t.


Autor:
Dankbar sein für jedes Glück. Die Krebsnachsorge ist wieder dran und meine Ärztin sagt: Alle Werte sind in Ordnung. Das CT ist ohne Befund. Oder: Ich nehme meine Tochter in den Arm, als wir uns endlich wieder sehen nach langer Zeit. Oder: Ich rede mit einem alten Freund und habe das Gefühl, dass wir uns wirklich verstehen.

Das ist für mich nicht nur das „kleine Glück“. Nein, das ist jedes Mal unfassbar groß. Und ich bin jedes Mal unendlich dankbar. Manchmal danke ich Gott. So wie dieser Choral „Nun danket all und bringet Ehr“. Es ist nur ein Gedanke, wenn ich auf der Terrasse stehe oder durch den Wald spaziere und die frische Luft atme oder wieder nach Hause komme nach dem Gespräch mit diesem Freund. Ich will das Glück nicht vergessen. All das Gute, das Gott mir getan hat.


Musik 1: Choral, Strophe 2+3


2. Ermuntert euch und singt mit Schall

Gott, unserm höchsten Gut,

der seine Wunder überall

und große Dinge tut;

3. der uns von Mutterleibe an

frisch und gesund erhält

und, wo kein Mensch nicht helfen kann,

sich selbst zum Helfer stellt;


Autor: Gott tut seine Wunder, manchmal große Dinge, so dichtet Paul Gerhardt im Jahr 1647. Er hält uns „frisch und gesund ... von Mutterleibe an“, und wenn wir in Not geraten, wenn kein Mensch mehr helfen kann, dann ist Gott da, der „sich selbst zum Helfer stellt“.

Ob Paul Gerhardt das so erfahren hat? 1647 – das war ein Jahr vor dem Ende des 30jährigen Krieges. Paul Gerhardt ist Pfarrer an der St.-Nikolaikirche in Berlin. Sein Freund Johann Crüger arbeitet dort als Kantor. Bis heute finden sich viele Lieder der beiden im Evangelischen Gesangbuch. „Nun danket all und bringet Ehr“ wird zum ersten Mal in der Sammlung „Praxis pietatis melica“ von Johann Crüger veröffentlicht. Damals, 1647, sind fast ein Drittel der Bevölkerung dem Krieg zum Opfer gefallen, viele Häuser sind zerstört, die Sehnsucht nach Frieden ist groß.


Musik 1: Choral, Strophe 5+6


5. Er gebe uns ein fröhlich Herz,

erfrische Geist und Sinn

und werf all Angst, Furcht, Sorg und Schmerz

ins Meeres Tiefe hin.

6. Er lasse seinen Frieden ruhn

auf unserm Volk und Land;

er gebe Glück zu unserm Tun

und Heil zu allem Stand.


Autor: Was mich wundert: Das Lied formuliert zuerst den Dank und dann die Bitte. Ist das nicht normalerweise umgekehrt? Ich bitte um etwas, und wenn die Bitte erhört wird, bin ich dankbar? Bei Paul Gerhardt scheint eine andere Haltung durch. Trotz Krieg und Not dankt er Gott für das Leben, dass er schenkt, für die Hilfe, die er gibt. Das ist die Basis. Paul Gerhardt sieht das Glück im Unglück. Er bleibt dankbar. Und jetzt kann er Gott bitten: Alles, was „Angst, Furcht, Sorg und Schmerz“ bereitet, soll vergehen. Und es soll endlich Friede ruhn „auf unserem Volk und Land“, so dichtet Gerhardt weiter, so etwas wie Alltag soll es wieder geben: Gott „gebe Glück zu unserm Tun und Heil zu allem Stand“.

Ob man sich zum Glück entschließen kann? Auch wenn Not herrscht – so wie am Ende des 30jährigen Krieges? Auch wenn heute jemand unbestreitbar Pech gehabt hat? Die Firma pleite wenige Jahre vor dem eigenen Ruhestand; der Partner, die Partnerin gestorben, viel zu früh; der Sohn ausgezogen im Streit?

Ich selbst bin ein Jahr lang auf der Krebsstation ein und ausgegangen. Viele Männer und Frauen habe ich im Laufe der Zeit in der onkologischen Ambulanz kennengelernt. Manche etwas näher. Alle haben unbestreitbar Pech gehabt. Diese Krankheit fragt nicht, ob es gerade gelegen kommt oder ob sie später noch mal vorbeikommen soll. Sie lässt einem auch keine Zeit, mal eben die Straßenseite zu wechseln, nur so aus dem Gefühl heraus, dass das, was da entgegenkommt, vielleicht nicht gut ist. Aber sind deshalb alle unglücklich, die ich regelmäßig im Krankenhaus getroffen habe? Nein. Charlotte ist glücklich verheiratet, mittags diskutiert sie ihre Blutwerte mit der Ärztin und abends wird sie von ihrem Mann abgeholt. Sie strahlt. Robert plant einen zweiwöchigen Urlaub mit seiner Familie, die Flüge sind gebucht. Die Infektionsgefahr? Ist ihm egal. Er sucht sein Glück am Mittelmeer. Und Martin freut sich unbändig auf seine beiden Kinder, sie sind neun und sechs Jahre alt, er sieht sie alle 14 Tage. Er ist unendlich dankbar für diese Zeit mit ihnen.


Musik 1: Choral, Strophe 8+9


8. Solange dieses Leben währt,

sei er stets unser Heil,

und wenn wir scheiden von der Erd,

verbleib er unser Teil.

9. Er drücke, wenn das Herze bricht,

uns unsre Augen zu

und zeig uns drauf sein Angesicht

dort in der ewgen Ruh.


Autor: Paul Gerhard vertraut mit diesen Zeilen auf Gott, ganz gleich, wie das Leben spielt, und ganz gleich, wieviel Lebenszeit ihm noch geschenkt wird. „Solange dieses Leben währt“ hält er an Gott fest. Dankbar. Der Dichter knüpft auch keine Bedingung an dieses Gottvertrauen – zum Beispiel, dass Gott ihn vor allem bewahrt, was Leid bedeutet. Seine Erfahrung ist: Gott trägt mich. So oft schon im Leben. Und am Ende auch im Tod. In Krieg und Not vertraut er darauf, dass Gott auch am Lebensende da ist und ihn auffängt. Paul Gerhardt ist sich sicher: Gott sieht uns an „dort in der ewgen Ruh“. Was für ein Glück.



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