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Kirche in WDR 3 | 26.05.2022 | 07:50 Uhr
Himmel auf Erden?
„Oh mein Gott, dieser Himmel, wie komm ich da bloß rein? Oh, mein Gott, dieser Himmel, wo zu Hölle soll der sein?“ Diese Zeilen, sind Ihnen nicht geläufig. Aber meinen Schülerinnen und Schülern, mit denen ich in Bocholt zusammen arbeite. Aber: die Frage vom Rapper Materia aus seinem Song OMG!, die passt zu heute. Die passt zu Christi Himmelfahrt.
Christinnen und Christen feiern heute, dass Jesus in den Himmel
aufgefahren ist. Die Bibel beschreibt das so: 40 Tage nach seiner Auferstehung
an Ostern war er noch mit seinen Jüngern unterwegs. Dann wird er vor den Augen seiner Freundinnen und
Freunde vom Erdboden emporgehoben. Eine Wolke nimmt ihn auf und Jesus
verschwindet in den Himmel. So kommt man also in den Himmel? Ich fürchte,
Materia wird mir sagen: Sorry, aber: wer glaubt denn so was?
Okay, für die Menschen zur Zeit Jesu war die
Erzählung von Himmelfahrten nicht so ungewöhnlich. Der Prophet Elia fährt in
einem feurigen Wagen in den Himmel, so steht es in der Bibel. Das Judentum
kennt die Legende der Himmelfahrt des Mose und Himmelfahrten gibt es auch
außerhalb der Bibel. Die Griechen erzählen von der Entrückung des Herakles in
den Olymp. Einmal in den Himmel aufgefahren sein scheint dich also
religionsgeschichtlich zum bedeutenden Mann zu machen. So weit, so gut, dann kann
ich Christi Himmelfahrt dann als Mythos abtun?
Das wäre schade. Denn jenseits von der
Frage, ob sie historisch so passiert ist, steckt in der Himmelfahrt Jesu eine
tiefere Dimension: die Sehnsucht nach Himmel, nach dem, was die Schwere dieser
Welt aufhebt. Das Schweben im siebten Himmel, sozusagen. Und diese Sehnsucht der
Menschen nach dem Himmel war Jesus wohl bewusst. Denn er hat sehr viele
Geschichten dazu genutzt, uns vom Himmel zu erzählen. Vom Himmel, der ist, wie
ein großes Festmahl mit Freude und Überfluss. Vom Himmel, der da ist, wo das Leben
wächst wie Weizen auf dem Feld. Vom Himmel, der winzig klein anfängt, wie ein
Senfkorn – und der ein riesiger Baum wird. Wenn Jesus in solchen Bildern
spricht, dann holt er den Himmel ganz nah.
Der Himmel, den er auch Reich Gottes nennt, ist nichts, zu dem hin wir
uns hocharbeiten müssen, raus aus dieser Welt. Er verbindet den Himmel mit
unserer Welt. Er holt den Himmel mitten unter uns. Und er ermutigt uns, das
auch zu tun. Himmel kann dann sein, wenn ich ehrlich schaue, wo und wie ich
anderen weiterhelfen kann. Himmel gibt es in Liebe, Beziehungen und
Freundschaften. Himmel ist ein Tag Ruhe und Auszeit, oder ein Gottesdienst, der
mich und meinen Glauben an die Kraft des Guten in der Welt stärkt. Himmel ist, wo
Menschen miteinander leben und lieben, wo wächst, was gut ist. Und da wir
glauben, dass Jesus in diesen Himmel zurückgekehrt ist, dürfen wir glauben: überall,
wo wir ein Stück Himmel realisieren, ist er da. So wie er es versprochen hat: „Ich bin
bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Besonders an diesem Himmelfahrtstag wünsche ich Ihnen die Erfahrung vom Himmel auf Erden. Ihre Sonja Stratmann aus Bocholt