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Choralandacht | 16.07.2022 | 07:50 Uhr

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"Wach auf, Du Geist der ersten Zeugen" eg 241

Musik 1: Choralcantate: „Wach auf, du Geist der ersten Zeugen“, Text:
Karl Heinrich von Bogatzky
(1750),
komposition: Albert Knapp
(1837); Album:
Koraalcantates Von:
Christelijk Gemengd Koor 'Cantate Deo' Amersfoort o.l.v. Peter Eilander / Everhard Zwart; Label: Te Deum; LC: 79341; Verkauft von: Amazon Digital Germany GmbH; ASIN: B07KTLR7LT.


Autor (overvoice): Kennen Sie das? Sie wachen aus einem Alptraum auf und kommen allmählich dahinter, dass doch alles halbwegs in Ordnung ist. Sie sind erleichtert. Als Präsident Putin den Befehl für den Einmarsch in die Ukraine erteilte, war es umgekehrt für mich. Die Idylle zerstob und der Alptraum ergriff Besitz von der Realität. Der Traum von einer halbwegs friedlichen Welt, zumindest in Europa, hat sich als trügerisch erwiesen. Eine zutiefst irritierende Enttäuschung ist eingetreten, eine mir Sicherheit vorgaukelnde Sicht auf die Welt hat sich als Täuschung erwiesen. Ich wurde jäh aus einem Traum gerissen und stellte fest: das Leben ist nicht so, wie ich dachte.


Sprecherin (overvoice): „Wacht auf, denn eure Träume sind schlecht!“


Autor (overvoice): So rief Günter Eich fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs den Deutschen zu, die sich seiner Einschätzung nach in trügerischer Sicherheit wiegten.


Sprecherin (overvoice): „Wach auf, wach auf, du deutsches Land, du hast genug geschlafen“


Autor (overvoice): So rief Johann Walter 1561 den Deutschen zu, als er um die Errungenschaften der Reformationen fürchtete. (0:30)


Sprecherin: „Wach auf, du Geist der ersten Zeugen“


Autor: So beginnt ein Lied von Carl Heinrich von Bogatzky. Dessen Vater hatte 1716 den Kontakt zu seinem Sohn abgebrochen, weil er die für ihn vorgesehene Offizierslaufbahn ablehnte und sich stattdessen der Theologie zuwandte.

„Wach auf, du Geist der ersten Zeugen“, ist eines der Wochenlieder für den morgigen 5. Sonntag nach Trinitatis. Carl Heinrich Bagetzky hat es 1756 veröffentlicht.


Musik 2: „Wach auf, du Geist der ersten Zeugen“, Text:
Karl Heinrich von Bogatzky
(1750),
komposition: Albert Knapp
(1837); Album:
Was Gott tut, das ist wohlgetan
Von:
Gerhard Schnitter; Das Solistenensemble; Label: SCM Hänssler; LC: 98808; Verkauft von: Amazon Digital Germany GmbH; ASIN: B09H419Q9R.


Sprecherin (overvoice)

Wach auf, du Geist der ersten Zeugen,
die auf der Maur als treue Wächter stehn,
die Tag und Nächte nimmer schweigen
und die getrost dem Feind entgegengehn,
ja deren Schall die ganze Welt durchdringt
und aller Völker Scharen zu dir bringt


Autor: Die „ersten Zeugen“ halten Wache auf den Befestigungsmauern. Die Aufgabe der sogenannten Türmer besteht darin, die Menschen vor Feuersbrünsten und anrückenden Heeren zu warnen. Und wieder geht’s ums Aufwachen.


Musik 3: „Dir, dir Jehovah will ich singen“, Zweiundfünfzig leicht ausführbare Vorspiele zu den gebräuchlichsten evangelischen Chorälen, Op. 67: No. 7, Dir, dir Jehovah will ich singen! komposition: Albert Knapp; Album:
Max Reger - Works for Organ - Vol. 5 (Schuke-Orgel, Marktkirche in Halle, Saale), Von: Irénée Peyrot; Label: cpo; LC: 08492; Verkauft von: Amazon Digital Germany GmbH; ASIN: B08C9NM74R.


Autor (overvoice): Der große Lyriker der deutschen Romantik, Joseph von Eichendorff, weiß von der Frustration der Wächter, wenn es nicht gelingt, die Menschen wachzurütteln.


Sprecherin (overvoice)

Nächtlich macht der Herr die Rund,

Sucht die Seinen unverdrossen,

Aber überall verschlossen

Trifft er Tür und Herzensgrund,

Und er wendet sich voll Trauer:

Niemand ist, der mit mir wacht. -

Nur der Wald vernimmt's mit Schauer,

Rauschet fromm die ganze Nacht.


Waldwärts durch die Einsamkeit

Hört ich über Tal und Klüften

Glocken in den stillen Lüften,

Wie aus fernem Morgen weit -

An die Tore will ich schlagen,

An Palast und Hütten: Auf!

Flammend schon die Gipfel ragen,

Wachet auf, wacht auf, wacht auf!


Autor: Auch der Theologe und Liederdichter Friedrich Spitta spricht unverhohlen kriegerisch von den „scharf geschliffnen Waffen der ersten Christenheit“. Und wie der ukrainische Präsident nach schweren Waffen ruft, so dichtet Friedrich Spitta in seinem Choral „O komm, du Geist der Wahrheit“:


Musik 2


Sprecherin (overvoice):

Unglaub und Torheit brüsten
sich frecher jetzt als je;
darum musst du uns rüsten
mit Waffen aus der Höh.
Du musst uns Kraft verleihen,

Geduld und Glaubenstreu

und musst uns ganz befreien

von aller Menschenscheu.


Autor: Mag sein, hier geht es um „Waffen aus der Höh“, also um eine Art himmlischen Beistand. Dennoch: Bei der Nachrichtenlage und angesichts der Kriegsmetaphorik in manchen Chorälen frage ich mich: Müssen wir umdenken? Gibt es am Ende doch gerechte Waffengänge? Die sich der Wahrheit und dem Recht nahe fühlen, neigen zu dieser Auffassung. Waren die Kreuzzüge gerechte Kriege? Eher nicht. Hat der Dreißigjährige Krieg zwischen Protestanten und Katholiken Europa wohnlicher gemacht? Wohl kaum. Wie ist es mit dem Krieg der Anti-Hitler-Koalition gegen das nationalsozialistische Deutschland, dem Einsatz von Nato-Truppen gegen Kriegsverbrecher im Kosovo, wie mit dem bewaffneten Widerstand der Ukraine gegen Putins Aggression?


Musik 2


Sprecherin (overvoice)

Ach daß die Hilf aus Zion käme!
O daß dein Geist, so wie dein Wort verspricht,
dein Volk aus dem Gefängnis nähme!
O würd es doch nur bald vor Abend licht!
Ach reiß, o Herr, den Himmel bald entzwei
und komm herab zur Hilf und mach uns frei!

Autor: Ein Hilferuf derer, die unter die Räder gekommen sind. Reden nicht die Überfallenen in einem ähnlich dringenden Ton?


Musik 4 :“Wach auf, du Geist der ersten Zeugen“, Text:
Karl Heinrich von Bogatzky
(1750),
komposition: Albert Knapp
(1837); Album:
Lobsingt ihr Völker alle; Interpret:
Windsbacher Knabenchor; Leitung: Martin Lehmann; Label: RONDEAU; LC: 06690; Verkauft von: Amazon Digital Germany GmbH; ASIN: B00JXFML3W.


Sprecherin (overvoice): laß eilend Hilf uns widerfahren und brich in Satans Reich mit Macht hinein


Autor: Warum nur operieren manche Kirchenlieder mit militärisch anmutenden Bildern? Vielleicht deshalb, weil diese Bilder existentielle Krisen und Nöte widerspiegeln? Weil es den Unterjochten schier unmöglich ist, der Versuchung der Gewalt zu widerstehen? Weil es den Machthungrigen schon viel zu oft gelungen ist, Menschen unter dem Vorwand vermeintlicher Ideale in den Krieg zu hetzen?


Wir befinden uns in einem Dilemma. Der große Dichter und Dramatiker des Barocks, Andreas Gryphius, spricht 1635 davon, dass jeder Krieg dem Menschen den Seelenschatz abzwinge, sei dieser Krieg nun gerecht oder nicht. Gibt es überhaupt gerechte Kriege? Und wenn nicht: Ist es Christenpflicht, sich auszuliefern?

Nie habe ich besser verstanden, was es heißt, in einer unerlösten Welt zu leben.


Die vorletzte Strophe unseres Liedes nimmt eine überraschende Wende:


Sprecherin:

Laß jede hoh und niedre Schule
die Werkstatt deines guten Geistes sein,
ja sitze du nur auf dem Stuhle
und präge dich der Jugend selber ein,
daß treuer Lehrer viel und Beter sein,
die für die ganze Kirche flehn und schrein!


Autor: Gehen wir also in Gottes Schule. Flehen und schreien wir. Lernen wir, dass Realpolitik und visionäres Denken sich nicht im Wege stehen. Im Gegenteil. Sie benötigen einander. Und die Bibel ist wahrlich nicht die schlechteste Quelle für Friedensvisionen. Welch wunderbare Aussichten bietet der Prophet Jesaja:


Sprecher: Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. Und er wird richten unter den Nationen und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.



Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth



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