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„So schnell stirbt’s sich nicht!“

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katholisch

Kirche in WDR 3 | 21.11.2022 | 07:50 Uhr

„So schnell stirbt’s sich nicht!“

Der November ist nicht mein Monat: Nieselregen, verwelkte Blätter, kurze Tage, wenig Sonne. Dazu kommen dann noch die typischen Totengedenktage: Allerseelen, Volkstrauertag und Totensonntag. Manchmal drücken die auch noch auf die Stimmung: Wenn ich darüber nachsinne, dass mindestens zwei Drittel meines Lebens vorbei sind. Oder wenn in meinem Umfeld jemand gestorben ist, der so alt war wie ich oder sogar jünger. Dann sag ich mir: Wer weiß, ob ich morgen überhaupt noch da bin.

Das mag jetzt etwas fatalistisch oder depressiv klingen. Aber es ist doch so: Eines Tages werde ich Abschied nehmen müssen. Allerdings kann ich mit dieser Erkenntnis ganz unterschiedlich umgehen. Ich könnte so tun, als wäre mit dem Tod alles aus, und leben nach dem Motto: „Lasst uns das Leben in vollen Zügen genießen, denn morgen sind wir tot.“

Aber das ist nicht meine Haltung. Ich versuche dagegen, meine Lebenszeit sinnvoll zu nutzen, egal wie viel ich davon noch habe. Bestärkt hat mich in dieser Haltung Björn, ein guter Bekannter und Kollege von mir. Gemeinsam mit seiner Frau hat einen Podcast gemacht, und davon will ich erzählen.

Björn war Mitte 40, verheiratet und hatte zwei Kinder, als er Anfang 2021 die Diagnose erhielt: ‚Bauchspeicheldrüsenkrebs‘. Er war eine Kämpfernatur und beruflich sehr engagiert. Obwohl er um die ungünstige Prognose wusste, hat er nicht resigniert. Davon erzählt er gemeinsam mit seiner Frau etwa eine Stunde lang in einem Podcast. Beide beschreiben darin, wie sie mit der Krankheit und dem nahenden Tod umgehen. Und als ich da hineinhörte, konnte ich das hin- und-hergerissen-Sein gut nachempfinden: einerseits das Akzeptieren der tödlich verlaufenden Erkrankung, andererseits die kleine Hoffnung „Vielleicht trifft es mich ja doch nicht“. Dazu zitierte Björn mit einem Schmunzeln die Oma seiner Ehefrau, die manchmal sagte: „So schnell stirbt’s sich nicht!“ So verbringt die Familie fast anderthalb Jahre zwischen Hoffen und Abschied nehmen.

Auch wenige Monate vor seinem Tod, zum Zeitpunkt der Aufnahme dieses Gesprächs, haben die Eheleute nicht resigniert. Björn sagt: „Wir lachen, wir haben Spaß, das tut uns gut. Trotz der Diagnose ist unser Leben nicht vorbei. Ich setz‘ mich nicht in die Ecke und warte, bis ich sterbe. Dafür ist mir das Leben viel zu wichtig.“[1]

Björn starb dann im Sommer dieses Jahres.

Mir hat die Haltung von Björn und seiner Frau Mut gemacht. Und genau das wollten beide auch mit diesem Tondokument: anderen Menschen Mut machen, vor allem jenen, die in einer ähnlichen Situation stecken. Ich höre aus seinen Worten große Lebensfreude und einen starken Lebenswillen heraus, auch angesichts des eigenen Todes. Das beeindruckt und fasziniert mich. Ich weiß gar nicht, ob Björn religiös war oder an Gott geglaubt hat. Oder ob er auf ein Leben nach dem Tod gehofft hat. Davon ist in dem Podcast nicht die Rede. Aber er ist auch für mich ein Vorbild. Er hat, obwohl todkrank, sein Leben als Geschenk gesehen. Und hat vor dem nahenden Tod nicht resigniert. Diese Haltung, die ich durch und durch christlich nenne, wünsche ich mir für mich selbst auch, sollte ich einmal in eine ähnliche Lage kommen.

Übrigens: Die Autorin Susanne Niemeyer beschreibt diese Haltung so: „Ich finde es Unsinn, jeden Tag so zu leben, als sei es der letzte. Denn was sollte ich an so einem letzten Tag noch tun, außer mich zurückzulehnen oder in Depressionen zu fallen oder in einen hektischen Aktivismus wie an einem letzten Urlaubstag? Ich bin dafür, jeden Tag so zu leben, als sei es der erste. Was könnte nicht alles kommen?“[2]

Einen fröhlichen Novembertag wünscht Pastoralreferent Martin Dautzenberg.


[1] https://www.podcast.de/episode/592780022/so-schnell-stirbts-sich-nicht-teil-2

[2] S. Niemeyer, in: Als ob. Ein Jugendbuch für Andere Zeiten, Hamburg 2019



































































































Jesus überspielt seine Wunden nicht. Er tut nicht so, als sei alles in Ordnung. Doch bevor er ihnen seine Wunden zeigt, sagt er: „Friede!“ Vielleicht sagt er dieses weitende Wort „Friede“ zugleich sich selbst und den anderen. Er öffnet sich, er zeigt sich. So haben auch die anderen die Chance, sich zu öffnen, genauer hinzusehen, sich der Realität ihrer eigenen Wunden und ihres eigenen Anteils an der gemeinsamen Geschichte zu stellen.

Den Weg zum anderen finde ich nur durch die enge Tür meines eigenen Lebens. Nur wenn ich mich selbst gut wahrnehme, kann ich auch andere gut wahrnehmen. In dem Maße wie ich mich selbst verstehe, lerne ich zugleich, andere zu verstehen.

Dank der ruhigen Begegnung mit den Wunden Jesu und ihrem eigenen Anteil freuen sich die Jünger, Jesus wiederzusehen. Und zur Bekräftigung sagt Jesus noch einmal: „Friede mit euch!“ (Vgl. Joh 20,19-21)





























Max Frisch prägt in einem seiner Tagebücher für diese Haltung ein treffendes Bild: Dem anderen die Wahrheit nicht wie einen nassen Lappen ins Gesicht schlagen, sondern wie einen Mantel hinhalten – zum Anziehen!

So können Wunden zu Erkennungszeichen und zu Verbindungszeichen einer innigen Beziehung werden – genau in dem Maß, wie es ein Wachsen in gegenseitiger Sensibilität und Achtung gibt!

Gott, je klarer ich mich selbst erkenne, desto klarer erkenne ich die anderen. Und je tiefer ich mich selbst verstehen lerne, desto tiefer lerne ich die anderen verstehen. In der Bibel lese ich: „Liebe den anderen, denn er ist wie du.“[1] Hilf mir, gerade in belastenden Situationen anderen verbunden zu bleiben. So kann ich wachsen – mit ihnen gemeinsam.

Aus Aachen grüßt Sie

Spiritual Georg Lauscher

[1] Übersetzung nach Martin Buber

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