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Kirche in WDR 3 | 06.07.2024 | 07:50 Uhr
Grundlegend ändern?
Das ist ja immer die schnelle Lösung. Ob das dann immer einfach ist, sei mal dahingestellt. Aber wie oft ertappe auch ich mich dabei, mir auszumalen, wie es wäre, wenn alles anders wäre.
In der Klimakrise: Wenn wir alle nicht mehr fliegen würden, zum Beispiel.
Oder in politischen Krisen: Wenn der oder die einfach zurücktreten würde. Schlechtes Europawahlergebnis? Bye, Bye Regierung.
Und auch in der Krise, in der meine Kirche steckt, kenne ich diesen Satz nur zu gut: „Es muss sich grundlegend was ändern“.
Als Katholik und Theologe habe ich schon öfter die Frage gehört: „Was würdest Du tun, wenn Du für einen Tag Papst wärst?“ Und klar, wenn ich Papst wäre, dann wäre das ja ganz einfach, alles zu ändern. Wenn zumindest der und der Kardinal nicht mehr wäre, dann wäre ja auch schon viel geholfen.
Zurück zum richtigen Papst, zu Papst Franziskus. Ausgerechnet der hat mich vor einiger Zeit ziemlich überrascht. Und nachdem ich anfangs etwas gestutzt hatte, fand ich ziemlich gut, was der Papst damals gemacht hatte.
Worum ging es?
Vor ein paar Jahren hatte Reinhard Marx seinen Rücktritt angeboten. Der Kardinal aus München wollte ein Zeichen setzen. Damit sich endlich was ändert. Das Angebot geht an den Papst. Und in seinem Schreiben an Franziskus wurde klar, dass die Missbrauchskrise und seine ganz persönlichen Verwicklungen ein Grund für das Rücktrittsgesuch waren. Aber Marx ging noch weiter und machte klar: Auch er leidet an so vielen Herausforderungen und Fehlern der Kirche. Seine Idee damals: „Papst Franziskus, nimm mich hier raus. Ich will wieder einfacher Seelsorger sein. Mich für Erneuerung einsetzen. Deshalb will ich nicht mehr Bischof sein. Ich will was ändern.“
Und der Papst? Der hat Marx geantwortet: Franziskus sagt damals: „Mach’s so wie du vorschlägst. Aber als Bischof.“
Das fand ich damals genial. Denn es sagt letztlich: Was hält dich davon ab, schon jetzt so zu leben, wie du es dir wünscht? Das zu tun, was du von anderen forderst? Ist es wirklich die Form, die Dich hindert, oder ist es die Angst, selbst Dinge zu verändern? Starte da, wo Du gerade bist. Nutze das, was Du jetzt schon hast, um die Welt zu verändern. Und für einen machtvollen Bischof wie Kardinal Marx heißt das ja auch: Du kannst doch viel besser die Veränderung herbeiwirken, wenn Du Dein Amt nutzt.
Es gibt Herausforderungen, die brauchen veränderte Formen. Klar. Und: Ich bin nicht allmächtig. Aber: Ich bin eben auch nicht ohnmächtig.
Mir macht das Mut. Und Ihnen?
Ich grüße Sie aus Herten. Ihr Stephan Orth.