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Kirche in WDR 3 | 08.08.2024 | 07:50 Uhr
«Kraft aus der Stille»
Guten Morgen.
Es war der letzte Tag der Leichtathletik Weltmeisterschaft in Italien.
Im Stadio Olimpico in Rom sitzen auch zu später Stunde noch etwa 20.000 meist italienische Zuschauer. Oder sie stehen und feuern die Leichtathleten begeistert an. Drei, vier Sportarten laufen zum Teil parallel. Die Sportler müssen sich sehr konzentrieren. Manche fordern das Publikum mit großen Gesten auf, sie mit rhythmischem Klatschen zu unterstützen, damit sie das letzte an Kraft und Motivation mobilisieren können.
So auch der italienische Hochspringer Gianmarco Tamberi bei seinen ersten Sprüngen. Mit seinem zur Hälfte rasierten Gesicht und seinen Showeinlagen ist er der erklärte Liebling der italienischen Fans. Da hebt der begnadete Hochspringer und Showman in aller Ruhe einen Arm und schließt die Augen. Der Stadionsprecher versteht die Geste sofort und ruft die Zuschauer zur Stille. Und tatsächlich. Augenblicklich ist es im Stadion mucksmäuschenstill.
20.000 Zuschauer halten die Luft an. Gianmarco Tamberi hat die volle Aufmerksamkeit des Publikums. Er nimmt Anlauf- und springt über 2,34 Meter. Gold für Italien.
Aus dieser Stille hat er Kraft geschöpft und wagt es noch einmal, nun über 2,37 Meter. Und wieder lässt er das Publikum verstummen und schafft es erneut.
Ob Tamberi oder andere Hochspringer heute Abend bei den olympischen Spielen in Paris wieder Kraft aus der Stille schöpfen können?
Und wenn schon im Sport die stille Gegenwart anderer Menschen, die konzentriert zusammenstehen, jemanden in ungeahnte Höhen fliegen lässt, wieviel mehr gilt das für das Gebet. Wenn ich mir die Gegenwart Gottes bewusst mache, die mich immer umgibt, die in der Stille aber eine ganz besondere Kraft entfalten kann.
Der Prophet Jesaja hat geschrieben: „Durch Stillesein und Vertrauen würdet ihr stark sein.“ (LutherBibel 2017, Jesaja. 30,15)
Einfach mal die Klappe halten. Einfach mal still sein, still sein im Angesicht des lebendigen Gottes.
Was für eine Kraft kann in der Stille liegen!
Im Sommer war ich wieder beim internationalen Jugendtreffen in Taizé. In den Taizégottesdiensten gibt es immer etwa zehn Minuten Stille. Für viele Jugendliche, die zum ersten Mal dort sind, ist das neu und ziemlich krass. Und doch ist es für die meisten eine ganz starke Erfahrung. Gemeinsam mit vielen, vielen anderen schweigen und nicht auf´s Handy sehen, sondern innehalten. Sich öffnen für Gottes Nähe. Gewöhnungsbedürftig und doch so stark. Sich seiner selbst bewusst werden in der Gegenwart Gottes. Gott ist doch nicht bloß im Himmel über mir, sondern bei mir - jetzt ganz nah.
Und wenn es sich manchmal doch anfühlt, als sei dieser Gott ganz fern, können die Psalmen der Bibel helfen, neu einen Zugang zu finden. Diese Worte aus Psalm 131 zum Beispiel:
„Gott! Ich denke nicht zu hoch von mir, ich schaue auf niemand herab.
Ich frage nicht nach weit gesteckten Zielen, die unerreichbar für mich sind.
Nein, still und ruhig ist mein Herz, so wie ein sattes Kind im Arm der Mutter
– still wie
ein solches Kind bin ich geworden.“
(Gute Nachricht (2018), Psalm 131)
Ich wünsche ihnen in dieser Woche ein paar solcher Momente der Stille.
(Ende WDR 4 und Verabschiedung WDR 3 und WDR 5)
Ihr Heinz-Bernd Meurer aus Velbert.
