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Kirche in WDR 3 | 10.08.2024 | 07:50 Uhr
Ein ehrenwerter Mann
Guten Morgen.
Simon ist ein ehrenwerter Mann.
Er weiß, was sich gehört und weiß auch, was sich nicht gehört.
In seinem Ort genießt er Respekt, genießt ihn vielleicht allzu sehr.
Hier kennt ihn jeder, wie auch er jeden kennt - und jede.
Er kennt sie mit all ihren Ecken und Kanten, und es hat ihn nie gestört.
Denn Simon ist ein ehrenwerter Mann. Sein Haus hat offene Türen.
Niemand soll ihm nachsagen können, dass er kein weites Herz habe.
So lädt er auch den umstrittenen Jesus ein - gegen alle Widerstände. Soll er doch kommen.
Mit so einem werde ich schon fertig, denkt sich Simon und streicht sich durch den Bart.
Simon ist ein ehrenwerter Mann, und sein Haus ist ein ehrenwertes Haus- jedenfalls bis jetzt.
Bis Jesus dann tatsächlich kommt und mit ihm, nein, wegen ihm, eine Frau, an der gar nichts anständig ist.
Nicht ihr Ruf, nicht ihr Verhalten, da einfach in diese Männerrunde reinzuplatzen, und erst recht nicht ihr schweres Parfum, dessen Duft sich im Raum verbreitet.
Was auch immer ihr vom Herzen gefallen ist. Sie muss es ausdrücken. Und weil sie es nicht in Worte fassen kann, zeigt sie es mit ihren Tränen, die sie einfach fließen lässt. Überwältigt von ihrer eigenen Vergangenheit und von der Liebe Gottes, die sie bei Jesus erlebt.
Simon ist ein ehrenwerter Mann. Er hätte diese Frau niemals eingeladen, jedenfalls nicht öffentlich. Und niemals hätte er sich von dieser Frau berühren lassen. Mann weiß doch, was das für eine ist. Während sie Jesus mit dem Parfum die Füße salbt, ist es still im Raum.
Nur der schwere Duft liegt in der Luft. Schade eigentlich, denkt sich Simon.
Ich habe Jesus wohl überschätzt und ihn für anständig gehalten.
Schade eigentlich, denkt sich vielleicht auch Jesus und erzählt Simon eine Geschichte von einem reichen Mann, der zwei anderen Geld leiht. Einem Mann leiht er viel Geld, einem anderen wenig. Irgendwann will der Reiche sein Geld zurück. Doch die beiden Schuldner haben es nicht. Da sagt der Reiche: „Behaltet es. Ich will es nicht. Ich schenke es euch. Und fertig!“
Eine ziemlich unrealistische Geschichte, heute genau wie früher.
Welcher Reiche würde schon auf sein Geld verzichten?
Doch Jesus geht es nicht um´s Geld. Nicht darum, ob jemand was hat, sondern darum, ob jemand liebt. Ihm geht es um Menschen, um diese Frau, deren Namen wir nicht erfahren, und um Simon.
Simon hält sich für sehr ehrenwert und anständig, bis Jesus ihm sagt, was ehrenwert und anständig gewesen wäre, für einen Gastgeber damals: Wasser für die staubigen Füße zu reichen und vielleicht ein Tuch, ein Kuss zur Begrüßung und bei Ehrengästen auch etwas Salböl für den Kopf.
Während diese Frau Jesus sogar die Füße salbt. Was sie von Jesus gehört und mit ihm erlebt hat, – das ist mehr Liebe, als sie je erfahren hat. Und Jesu Sätze, die er hier im Haus des Simon vor allen sagt, die treffen sie ins Herz:
„Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel geliebt;
wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig.“ (1) (Die Bibel, Luther 2017, Lukas 7,47)
Jesus liebt uns nicht, weil wir so gut sind, sondern weil er gut zu uns ist. Man kann auch vor lauter Anstand die Menschlichkeit aus den Augen verlieren.
Jesus sieht die Menschen an. Er sieht diese Frau an und sagt zu ihr: „Dein Glaube hat dir geholfen; geh hin in Frieden!“ (Die Bibel, Luther 2017, Lukas. 7,50)
Du bist ein Kind Gottes. Nimm das an und lebe so.
(Ende WDR 4 und Verabschiedung WDR 3 und WDR 5)
Sie finden diese Geschichte in der Bibel, im siebten Kapitel des Lukasevangeliums, mit einer kleinen Anleihe bei Shakespeare.
Ihr Heinz-Bernd Meurer aus Velbert.
(1) Lutherbibel, deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 2017.
(2) William Shakespeare, „Julius Cäsar“, dritter Akt, zweite Szene.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
