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Kirche in WDR 3 | 21.08.2024 | 07:50 Uhr
Der gelbe Handschuh
Autorin: Guten Morgen! Begleiten Sie mich ein Stück zur U-Bahn?
O-Ton: Geräusch einer einfahrenden U-Bahn (eigene Aufnahme der Autorin) – vorher und hinterher unterlegt
Autorin: Es ist früher Morgen am Kölner U-Bahnsteig „Friesenplatz“ und Stoßzeit im Verkehrsbetrieb; die Menschen hasten aneinander vorbei. Ich beobachte einen älteren Mann vom Putzdienst; er trägt eine gelbe Weste und gelbe Handschuhe; im Gegensatz zur Hektik aller anderen, geht er ruhig und konzentriert seiner Arbeit nach. – Ein paar Meter weiter wartet eine Mutter mit ihrem Kind auf die nächste Bahn. Während der ältere Mann die Papierkörbe ausleert, merkt er, wie ihn das Kind auf dem Arm seiner Mutter beobachtet, und auf einmal fragt er das Kind: „Na, gehst du mit deiner Mama spazieren?“ Das Kind fragt zurück: „Was machst du da?“ Die Mutter, die zunächst in die andere Richtung des Bahnsteigs blickt, bemerkt erst jetzt die Unterhaltung; unverzüglich geht sie einen Schritt weiter - wohl vor Sorge, dass die Frage ihres Kindes dem Mann vom Putzdienst peinlich sein könnte. Aber da antwortet der dem Kind schon mit freundlicher Stimme: „Ich mache hier sauber.“ Darauf die Mutter, zu ihrem Kind und ihm damit zuvorkommend: „Das ist eine sehr schwere Arbeit, weißt du!“
Das Kind blickt unbewegt mit großen Augen auf den Mann, der ruhig und mit routinierter Sicherheit weiter die Abfalleimer leert. Und eh die Mutter wieder etwas sagen kann, nimmt der Mann den Faden der Mutter auf, indem er sagt: „Aber auch eine schöne! Ich mache sauber für euch! Damit es schön aussieht, wenn ihr hierherkommt.“ Eine Sekunde geschieht nichts außer den sich kreuzenden Blicken dreier Menschen in einem U-Bahnschacht der Kölner Innenstadt. Inmitten des Summens des morgendlichen U-Bahnbetriebes.
Das Kind gelassen konzentriert, die Mutter etwas unsicher und noch einen kleinen Rest „Sich-für-das-Ganze-lieber-doch-entschuldigen-wollen“ im Blick und der Mann vom Putzdienst souverän freundlich: Eine kostbare Sekunde der Stille!
Die nächste U-Bahn fährt ein, und die Mutter strebt hastig dem Einstieg zu.
O-Ton: Geräusch einer einfahrenden U-Bahn (eigene Aufnahme der Autorin) – vorher und hinterher unterlegt
Autorin: Alles, was ich noch sehe, ist: Das Kind ist weiter mit den Augen bei dem Mann. Und der winkt dem Kind seinerseits mit einem verschmitzten Lächeln und seinem gelben, etwas zu großen Handschuh nach. Bis die U-Bahn losfährt und sogar noch hinter der Scheibe, als sich die Tür schon geschlossen hat, haftet der Blick des Kindes unbeirrt an dem winkenden Handschuh…
Womöglich war das ein guter Start in den Tag für alle Beteiligten; eine zufällige Situation, wie sie unter Menschen entstehen kann, die aufeinander aufmerksam werden.
Das Kind - denke ich mir- müsste eigentlich durch die Erfahrung der Freundlichkeit einen guten Eindruck von dieser Welt bekommen haben!
Für mich hat es sich so angefühlt, als hätte ich einen guten Bibelvers gelesen, der mich den ganzen weiteren Tag beschäftigt und begleitet. Warum? Weil diese Begegnung in der U-Bahn etwas davon erzählt, wie das geht, wenn Menschen einander aufrichten. Ich habe es jedenfalls so erlebt: Es hatte wirklich etwas „Segensreiches“ an sich!
Ich wünsche ihnen ebenfalls einen guten, segensreichen Start in diesen neuen Tag, Ihre Pfarrerin Nicola Thomas-Landgrebe aus Köln
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze