Beiträge auf: wdr3
Kirche in WDR 3 | 27.09.2024 | 07:50 Uhr
Zeit zum Faulenzen
Auf dem Flohmarkt habe ich neulich einen Pulli gekauft. Größe XXL, flauschig, mit Kapuze. Ich versinke darin. „Diesen Hoodie kannst du super zum Faulenzen tragen!“, empfahl mir die Verkäuferin. Das hörte sich gut an und auf dem Weg nach Hause wuchs die Vorstellung davon, wie ich demnächst in diesem Kapuzenpulli faul am Ofen sitze. Eine leise innere Stimme regte sich in mir: „Reden wir mal über’s faul sein. Faul sein darf man nicht. Wer faul ist kommt auf keinen grünen Zweig und ist ein Verlierer“. „Stimmt gar nicht!“, erwiderte sogleich eine zweite innere Stimme und zerstreute die Zweifel an der Sinnhaftigkeit meines Vorhabens mit der Aufforderung: „Denk doch mal an Wanja!“
Das war ein guter Gedankenblitz - gern erinnere ich mich an die Erzählung von Wanja, die mir schon in meiner Kindheit so gut gefallen hat. Sie stammt aus der Feder des Autors Otfried Preußler. Sieben Jahre durfte – genau gesagt: musste – der Bauernsohn Wanja aufgrund einer Prophezeiung faul über dem Ofen liegen. Er erträgt den Spott der Dorfgemeinschaft und wehrt sich gegen so manche List seiner verärgerten Brüder. Nach Ablauf der sieben Jahre offenbart Wanja, dass er dieser Zeit bedurfte, um innere Stärke zu sammeln. Mit seiner neu gewonnenen Kraft begibt er sich auf eine Reise voller Abenteuer und wird tatsächlich ein König.
Wanja gewinnt Kraft – das habe ich mir gemerkt. Dazu braucht er eine Zeit, die augenscheinlich nutz- und sinnlos ist. Die Zeit am Ofen. Diese Ruhe-Zeit ist Reife-Zeit. Alles hat eben seine Zeit. Draußen, in der Natur, ist das selbstverständlich. Seit Sonntag ist auch kalendarisch Herbst. Die Blätter werden von den Bäumen fallen, die Pflanzen ziehen sich zurück und richten im Winter eine Ruhephase ein. Irgendwann wird die Zeit da sein, in der sie wieder ganz neu aufbrechen.
Alles hat seine Zeit, manchmal tue ich mich schwer damit, sie wirklich reifen zu lassen.
Oft fühle ich mich stark und bereit für das, was mein Leben mir abverlangt. Ich bin voller Power und habe den Eindruck, das kann und muss immer so weiter gehen. Tut es aber nicht, weiß ich doch. Ich brauche die Zeit des Faul-Seins, ich darf und muss faul sein - einfach in einen riesengroßen Hoodie versunken am Ofen sitzen. Dort können mein Körper und Geist gleichermaßen ruhen und reifen. Ich kann mich zurücklehnen, Abstand gewinnen von dem, was Kräfte zehrt. Dort mögen sich plagende Fragen klären, Entscheidungen heranreifen. Dort haben die Wunden des Alltags Zeit, um zu heilen.
Vieles geht eben erst wieder, wenn ich mich ganz zurückgenommen habe, ausgeliefert an eine größere Kraft, die es vermag, mich neu zu füllen. Für mich ist es Kraft aus dem Glauben an Gott. Eine Kraft, die mich hier neu erreichen kann. In der Ruhe suche ich Segen, der mich wärmt, stärkt und einhüllt – wie es auch der Hoodie vermag.
Es ist Freitag, das Wochenende ist in Sicht. Ich wünsche uns Zeit zum Faulenzen und Kraftschöpfen und grüße Sie ganz herzlich aus Detmold,
Annkathrin Tadday