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Kirche in WDR 3 | 08.11.2024 | 07:50 Uhr
Inspiration aus der Heiligen Schrift
Mit Interesse habe ich wahrgenommen, dass Studierende der Universität Leipzig eine erste gesamtdeutsche Studie zur Nutzung der Bibel vorgelegt haben. Rund 1.200 Menschen mit und ohne kirchliche Bindung sind befragt worden. Nur ein geringer Teil der deutschen Bevölkerung liest demnach regelmäßig in der Bibel. Deutlich mehr Menschen finden ihre Inhalte interessant. Hierzu gehören sogar 40% der Menschen ohne Konfessionszugehörigkeit. Ich lese wie 1,6 % der Bevölkerung regelmäßig in der Bibel und bin immer wieder neu fasziniert, was mir die Texte der Evangelien für Anregungen geben können.
Besonders gut gefällt mir, wie der Evangelist Lukas über Berufung der ersten Jünger berichtet. Bei Lukas kommt Jesus zum See Gennesaret und wird dort von einer Menschenmenge bedrängt. Er sieht zwei Boote am See liegen und bittet den Simon mit dem Boot ein Stück weit vom Land wegzufahren.Vom Boot aus spricht er zu den Menschen und belehrt sie. Dann erzählt Lukas das Folgende:
“Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: Fahr hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!?Simon antwortete ihm: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch auf dein Wort hin werde ich die Netze auswerfen.?Das taten sie und sie fingen eine große Menge Fische; ihre Netze aber drohten zu reißen.?Und sie gaben ihren Gefährten im anderen Boot ein Zeichen, sie sollten kommen und ihnen helfen. Sie kamen und füllten beide Boote, sodass sie fast versanken.“ (Lk 5,5-8)
Darauf fällt Simon Jesus zu Füßen und bittet ihn, weg zu gehen, weil er sich als sündigen Menschen bezeichnet. Er war wahrscheinlich sowohl fasziniert als auch erschrocken über diesen wundersamen Fischfang. Jesus sagt kurz und knapp zu Simon: „Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen“ (Lk 5,10b). Simon, Jakobus und Johannes lassen alles stehen und liegen und folgen Jesus nach. Nun ist die Vorstellung des Menschenfangens als heutige Evangelisierung und Weitergabe des Glaubens sicherlich etwas sperrig.
Wir würden einem Verständnis von „Menschenfangen“ als eine Art von Requirierung eine klare Absage erteilen. Doch etwas anderes in dieser Berufungsgeschichte finde ich inspirierend. Vor allem in einer Zeit, in der wir gerade in der Kirche dazu neigen, nur über die Vergeblichkeit unserer Bemühungen zu klagen. Die nächtliche Arbeit der Fischer war vergeblich, denn sie hatten nichts gefangen. Was sollten erfahrene Fischer denken, wenn ein Wanderprediger ihnen dann aufträgt, es noch einmal zu versuchen und hinaus zu fahren, um die Netze zum Fangen auszuwerfen? Auslachen würden sie den Wanderprediger, aber sicherlich nicht losfahren und es erneut versuchen.
Doch hier ist es anders. Von diesem Wanderprediger und von seinem Wort muss eine enorme Faszination und eine Wort-Mächtigkeit ausgehen, die die Fischer es erneut versuchen lassen. Ein aus menschlichem Ermessen vergebliches Tun wird mit göttlichem Zuspruch neu versucht. Der Soziologie und Priester Tomáš Halík sagt dazu:
„Heute fühlen viele »Menschenfischer « ganz ähnlich wie die galiläischen Fischer an den Ufern des Sees Gennesaret, als sie Jesus zum ersten Mal begegneten: »Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.«. (Lk 5,5). (…) Jesus sagt uns dasselbe, was er den erschöpften Fischern sagte: Versucht es wieder, geht ins tiefe Wasser. Es wieder zu versuchen, heißt nicht, alte Fehler zu wiederholen. Es braucht Beharrlichkeit und Mut, aus dem seichten Wasser ins tiefe zu gehen“ (128).
Ich finde das sehr inspirierend: den Mut zu haben, es erneut zu versuchen und in tiefe und unbekannte Gefilde zu gehen. Peter Krawczack aus Düsseldorf wünscht Ihnen für den heutigen Tag, dass Ihnen jemand den Mut zuspricht, es neu zu versuchen. Vielleicht ja sogar einmal in der Bibel zu lesen.
Literatur: Tomáš Halík, Fortwährende Offenheit, in: Annette Schavan (Hg.); PFINGFSTEN! Warum wir auf das Christentum nicht verzichten werden, München 2024, 119-128